Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
Vom Netzwerk:
gegen sie an, als hätte das Auge des Sturms sich bewegt. Es fühlte sich an wie der heiße Hauch eines Lagerfeuers. In ständiger Verwandlung näherte sich der Schattenriese. Gebannt schaute Sam ihn an. Flackernde Dunkelheit und Helligkeit. Wie die tanzenden Punkte, die man sieht, nachdem man einen Schlag auf den Kopf bekommen hat, wich auch er immer wieder aus. Er war da und doch nicht da, eine Halluzination, ein verrücktes Artefakt des Sturms, der von Lawrence’ Albträumen heraufbeschworene Teufel. Sein Herz klopfte wie wild. Er hatte nichts, womit er hätte kämpfen können, aber es sollte keiner sagen, er hätte seinen Vater mit seinem Feind alleingelassen.
    Dann hörte er Rosies Schrei. Lawrence reagierte nicht, Sam schon. Er drehte sich um, sah das fliegende Geschoss, griff danach und spürte seinen Aufprall in der Hand. Er hatte keine Ahnung, weshalb Rosie weggerannt war und warum sie mit Steinen nach ihm warf, aber es musste einen Grund haben. Und in dem Moment, als er seine Hand öffnete und das Rosenquarzei sah, wusste er Bescheid.
    »Dad.« Er schüttelte ihn.
    Verständnislos richtete Lawrence langsam seinen Blick darauf. Sam entdeckte die unsichtbare Linie und versuchte das Ei aufzubrechen. Es bewegte sich nicht. Die riesige lautlose, schwarzflammige Masse arbeitete sich entlang der Spiralwindungen voran und kam stetig näher.
    »Verdammt!«, schrie Sam und schlug in seiner Verzweiflung das Ei gegen einen Granitbrocken. Es splitterte. Sam zog das Albinit-Täfelchen heraus und schob es seinem Vater in die Hand.
    »Was ist das?« Lawrence betrachtete es verwundert. Die in den Stein geschnittenen Symbole glänzten. »Woher hast du das? Wie? «
    »Das ist eine lange Geschichte. O verdammt …« Die Schwärze, die leise auf sie zugestürmt kam, war ein Tor in den Abyssus. Sonnenfeuer umloderte ihn. Plötzlich überkam Sam Todesangst. »Nun sag schon, was machen wir damit, um Himmels willen?«
    Lawrence sagte nichts. Er öffnete seinen Mund und legte sich den Edelstein auf die Zunge. Er schluckte ihn. Dann erhob er sich und breitete die Arme aus, als wollte er Brawth umarmen, und alles, was Sam danach noch sah, waren zwei gewaltige Lichtsäulen, die zweite das Negativ der ersten, ein leuchtender Kern mit einer schwarzen Korona. Die aufeinandertrafen und verschmolzen.
    Er spürte, wie seine Haare sich aufstellten und die Luft um ihn verdampfte. Eine Millisekunde später folgte eine heiße Druckwelle, ein ohrenbetäubender Knall, ein Speer aus weißem Feuer. Dann nur noch Dunkelheit.
    Die Druckwelle schleuderte Rosie in die Luft und sie schlug meterweit entfernt auf dem Boden auf. Sie landete mit ihrer Hüfte auf einem Felsen. Der heftige Schmerz raubte ihr den Atem.
    Sie konnte wieder sehen. Spürte den Schmierfilm von Tränen und Schmutz auf ihrem Gesicht. Danach bemerkte sie, dass der rote Schein von Dumannios zu Grau verblasst war, gleich darauf prasselten riesige Regentropfen auf sie herab.
    Stöhnend kämpfte sie sich auf Knie und Hände und kam schließlich auf die Füße, wobei sie versuchte gegen den Schmerz anzuatmen, um nicht in Tränen auszubrechen. Dicke Wolken schoben sich über sie hinweg, noch immer blitzte es, aber jetzt in der Ferne – das Gewitter zog ab.
    »Sam? Lawrence?«, rief sie, während sie sich ihren Weg ins Zentrum der Spirale suchte.
    Keine Antwort. Nur Schweigen.
    »Sam«, schluchzte sie außer Atem.
    Lawrence und Sam lagen beide neben dem steinernen Ei, dort, wo sie gestürzt waren. Noch bevor Rosie nach Sams lebloser Hand griff, wusste sie, dass beide tot waren. Obwohl auf dem Boden um sie herum nichts zu sehen war, waren die Körper selbst geschwärzt, nur die leicht geöffneten Augenlider waren vom Ruß verschont geblieben. Für Rosie stand fest, dass Lawrence’ Seelenessenz nirgendwo anders als in Brawth sein konnte: im Abyssus. Und Sam … er würde seinen Vater nie alleinlassen.
    Rosie vergrub ihren Kopf in ihren Händen und beugte sich über ihre Körper. Der Regen fiel jetzt schneller, aus den Tropfen wurden Schnüre, die die Welt durchnässten und rein wuschen.

~  25  ~
Dämmerung
    Als der Regen endlich nachließ, blickte Sapphire hinauf in das silbrige Dunkel. Das Haar klebte ihr in nassen Strähnen am Rücken, sie war völlig durchweicht und benommen. Es war vorbei. Ihr Blick richtete sich auf den aufreißenden, heller werdenden Himmel, und sie dachte sich, wie süß und frisch die Welt doch nach einem Unwetter roch.
    Sie hatte also ihre Rache bekommen und

Weitere Kostenlose Bücher