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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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das Tor zu passieren.
    Es war eine wunderschöne Nacht gewesen, diese letzte Nacht der Sommersterne vor zwölf Jahren, klar und schimmernd. Es war kurz nach Lucas’ Geburt, eine Zeit neu gefundenen Glücks … Auberon und Jessica hatten das kühle Gras Elysiums unter ihren nackten Füßen gespürt, als sie tanzten … den Großen Tanz später hatten sie jedoch ausgelassen und stattdessen bei Honigwein nur zugesehen.
    Eine perfekte friedliche Nacht. Auberon überlegte, ob ihm nicht ein Hinweis auf das kommende Dunkel entgangen war. Aber Lawrence’ selbstherrliche Rauheit hatte nichts verraten, war sie ihm doch immer zu eigen … oder etwa doch?
    Wilder stammte aus Sibeyla, dem Reich der Luft, und natürlich fiel es den in der Spirale Geborenen oft schwer, sich der Erde anzupassen. In seinen zwanzig Jahren als Torhüter hatte er sich bei den kleineren Festen oft geziert und war manchmal gar nicht erst erschienen. Dies war auch der Grund dafür, dass man ihn fürchtete und ihm mit Ablehnung begegnete. Auberon hatte zwar Grund genug, ihn zu hassen, aber in jüngeren Jahren waren er und Lawrence Freunde gewesen. Er hatte Lawrence in Augenblicken der Schwäche erlebt, die Hass unmöglich machten.
    Zweimal hatte Lawrence die Großen Tore für den Ritus der Sommersterne geöffnet. Beim ersten Mal, vor neunzehn Jahren, war Liliana noch dabei gewesen, um ihn zu unterstützen. Beim zweiten Mal, vor zwölf Jahren … ja, da er hatte beunruhigt gewirkt. Schloss man persönliche Angelegenheiten oder Lampenfieber einmal aus und nahm es stattdessen als ein Omen, dann bekam sein verbissenes Auftreten damals eine neue Bedeutung.
    Beim dritten Mal – die ihnen vor der Nase verriegelten Tore, die auf sie gehetzten Disir , der unnachgiebige Lawrence.
    Auberon spürte, wie ein Beben, einer dunklen Welle gleich, die Wurzeln der Erde und auch seinen Körper erfasste. Er öffnete die Augen und schmeckte Erde wie Tod in seinem Mund. In diesem Moment wusste er, dass Lawrence die Wahrheit sagte. Dieselben Felsen, die mit den Toren verbunden waren, drängten ihm diese Erkenntnis auf. Eine amorphe Gefahr schlummerte in der Spirale, ein gestaltloser Schrecken, den er nicht begreifen konnte … das Bild war verschwunden und ließ nur eine dunkle Spur der Angst zurück.
    Seufzend setzte Auberon seinen Weg fort. Er musste an die anderen Vaethyr-Gemeinden rund um die Welt denken, deren Netzwerk ein zartes Gespinst mit Verbindungsknoten war, die sich um Tore konzentrierten, und diese Tore wurden allesamt von den Großen Toren Cloudcrofts kontrolliert. Die Elfenbevölkerung der Erde war gering und meist viel zu weit weg, um Lawrence Ärger zu machen. Die Mehrheit traute ihm noch immer, auch wenn die Handlungen ihres Torhüters ihnen Anlass zur Sorge gaben.
    Schließlich war es Lawrence’ Aufgabe, wachsam zu sein, eine Bedrohung zu spüren, die noch kein anderer Vaethyr wahrnahm. Es war seine Fähigkeit und seine Pflicht. Wenn er diesen sich verdichtenden Schatten von Anfang an gespürt hatte … nun, sein Verhalten entschuldigte es nicht, aber erklären vermochte es vieles.
    Auberon kletterte über die fünf Sprossen des Tores an der Weide, um nach Brewster, dem massigen Stier, zu sehen. Die Weide war leer. Die Farmgebäude tauchten auf der Hügelkuppe auf. Während Auberon sich ihnen näherte, kam Comyn ihm entgegen, um ihn zu begrüßen. Mit seiner Bekleidung, einem grünen gewachsten Mantel mit Kappe, entsprach er nicht nur dem Bild des Farmers, sondern fügte sich auch ganz natürlich in die Landschaft ein. Seine Gummistiefel hinterließen tiefe Abdrücke im Schlamm.
    »Hast du bei deinem vollen Terminplan also doch noch einen Moment Zeit gefunden?«
    Auberon hatte inzwischen gelernt, keinen Anstoß an der unverblümten Art seines Schwagers zu nehmen. »Du sagtest, ich solle auf ein Schwätzchen vorbeikommen. Hier bin ich. Geht es darum, gemütlich eine Tasse Tee zu trinken, oder handelt es sich um etwas Ernstes?«
    »Es ist etwas Ernstes«, erwiderte Comyn.
    Er führte Auberon über den Hof zu einem Stall. Drinnen stank es nach den Ausdünstungen von Rindern. Hinter den Gittern einer Box stand Brewster, Comyns ganzer Stolz und Freude, der prächtige braune Bulle, der nicht nur auf Zuchtschauen triumphiert, sondern Comyn als Zuchtbulle auch ein Vermögen eingebracht hatte. Der Betonboden war sauber gefegt und darauf war frisches goldenes Stroh ausgestreut worden. Brewster jedoch stand mit gesenktem Kopf und glanzlosen Augen da. Sein Fell war

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