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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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mich.
    Ich bin die Letzte. Aber was nützt das? Eine Frau kann nun und nimmer die Nachfolge des Propheten antreten, möge ihr Geist noch so wach, ihre Seele noch so kühn und ihr Verstand geschaffen sein, Völker zu regieren.
    Ja, ich bin die Letzte. Sie verehren und achten mich im Volk   – obwohl ich tue und lasse, was ich will, und mich nicht um strenge Sitten schere. (Oder gerade darum?)
    Ich habe mir ein eigenes Reich geschaffen. Um mich ist die Dichtkunst wie um andere der Äther. Mein Haus ist voll von Licht, ist die Burg für Liebe, Leidenschaft und Poesie.
    Aber soll ich mich wirklich damit zufrieden geben?
    Denn was taugt eine Burg? Sie ist verschlossen. Das, was ich will, wofür ich stehe, das sollte sich über ganz Al Andalus verbreiten. So, wie es einst war. Meine Burg sollte ihre Tore öffnen.
    Ich will nicht, dass der schöne, üppige Strom, der sich einst von Syrien aus ergossen hat, jene von Gott gewollte Befruchtung dieses Landes, versiegt und im Nichts endet.
    Und nun, jüngst, ist mir vom Himmel ein Wink erteilt worden. Ich habe in den Labyrinthen der gewaltigen Bibliothek, die meine Vorfahren mit Leidenschaft zusammengetragen haben, ein Buch entdeckt. Ein Büchlein nur, das mich zurEile drängt. Wenn ich dem Glauben schenke, was dies Buch verkündet   – und ja, das tue ich!   –, dann muss ich handeln, denn sonst ist es zu spät.
    Ich will nicht, dass mein Stamm ausstirbt. Die Omayaden sollen wiedererstehen.
    Aber das sind geheime Dinge. Heikle Dinge, nicht ungefährliche. Dinge, die getan werden müssen.

2
    IBN ZAYDUN.
    Ihr Haus ist eine Insel aus Licht, eine Oase inmitten von Zerstörung und Finsternis.
    Zwar sind die Mauern zu dem verödeten Platz hin hoch und abweisend, aber die Helligkeit quillt aus den Fugen der Türen, aus den schießschartenengen Fensteröffnungen, ja sogar aus den schmalen Schlüssellöchern hervor wie das üppige, helle Fleisch einer Tänzerin aus den dunklen Hüllen ihrer Kleidung.
    Und mit dem Licht strömen die Klänge hinaus in die Nacht. Das Lachen. Das Klirren von Glas. Das rhythmische Sprechen. Der Beifall. Dann die Musik: Setar, die Laute mit dem langen, geschwungenen Hals, Flöte und Fidel, das aufreizende Pochen der Handtrommel, dazu eine heisere Singstimme.
    »Da war es keine Schande, ohne Scham zu sein   / In diesem Haus, in dem nur Freude herrschte.«
    So hat er es damals beschrieben. Und so ist es noch immer, auch wenn er die Herrin jetzt lieber beschimpft, als sie verehrt.
    Dieses Haus ist umgeben von einem unsichtbaren Wall. Von einer Mauer der verstohlenen Hochachtung und des geheimen Respekts. Niemand von den bärtigen Männern, die nachts durch die Straßen schleichen und nach denen suchen, die auf irgendeine Weise gegen die Gebote Allahs verstoßen(so, wie sie diese auslegen), niemand von ihnen wird es wagen, mit der Axt an diese Tür zu schlagen, bis das Holz splittert.
    Diese Hochachtung, dieser Respekt der Bürger Cordobas gelten nicht den bedeutenden und mächtigen Personen, die dort ein- und ausgehen. Sie gelten allein der Herrin des Hauses. Denn diese Frau ist die Tochter ihres Stammes, des Stammes der rechtmäßigen Herrscher.
    Ihr Vater war der vorletzte, aber schwächliche und träge Sohn einer Familie, die das Volk von Cordoba geliebt und verehrt hatte. Die Beduinen aus dem Maghreb verachteten ihn.
    Und seine Tochter?
    In den Augen der Berber ist sie wohl nicht weniger verächtlich als ihr Vater. Aber schwächlich   – nein, schwächlich ist sie nicht. Und ob nun ihre eigene Kraft den Bannkreis um ihr Haus gezogen hat oder die aller Bürger der Stadt, wer weiß?
    Jedenfalls ist er da.
     
    Der Mann in seiner Kerkerzelle, der das leuchtende Haus vor Augen hat, macht den Rücken gerade und dehnt die Schultern. Er spitzt ein neues Schreibrohr an und streicht das Papier glatt. Lange kann er nicht mehr schreiben. Das ist heute schon die zweite Kerze, und wenn die heruntergebrannt ist, muss er aufhören zu arbeiten. Mehr als zwei der armseligen Lichte am Tag bewilligt man ihm nicht. Und für die Gnade, dass man ihn überhaupt schreiben lässt, muss er eigentlich dem Himmel und dem Wesir Tag für Tag danken. Obwohl er annimmt, dass er diese Vergünstigung wohl eher Valada verdankt. Valada ist schließlich selbst Dichterin und weiß sehr wohl, dass ein anderer Dichter vielleicht bei schmaler Kost und hartem Lager im Kerker schmachten kann, aber nicht ohne die Möglichkeit sein darf, zu schreiben.
    »Und dabei, oh, du Miststück, habe ich

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