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Valadas versinkende Gaerten

Valadas versinkende Gaerten

Titel: Valadas versinkende Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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Nebeneinander. Sicher ist es gut so.
    Und als habe es Allah so bestimmt, dass nun alles seinen Herbst erhält, was vordem blühte, kommt einer meiner Pförtner zu mir und bringt mir eine Seltsamkeit. Ein Zerlumpter vom Lager vor den Toren, die manchmal zum Betteln in die Stadt kommen, habe es für mich abgegeben und sei fortgerannt, bevor man ihn nach dem Woher und Weshalb fragen konnte.
    »Wie sah er aus?«, frage ich und spüre, wie mein Mund trocken wird.
    »Wie soll er schon ausgesehen haben? Eben so ein Ungewaschener«, entgegnet der Mann.
    Nun, wenn es jemand mit nacktem Oberkörper, kahlem Schädel, Narben im Gesicht und Augen wie Metall gewesen wäre, das hätte ja wohl jeder gemerkt. Zumal sie ihn ja kennen müssten. Irgendwer hat ihn damals eingelassen . . .
    Ich nehme, was ich erhalten habe, und gehe damit in die Bibliothek, jenen Raum, wo ich mich am liebsten aufhalte.
    Das Ding scheint mir . . . aus Abfall zu sein. Zunächst. Es ist eine Art kleiner Korb, wie ich ihn noch nie vorher gesehen habe, geflochten aus biegsamen Weidenzweigen und bräunlichen Wurzeln. Die Enden sind nach oben gebogen und mit einem Dorn der Acerola-Kirsche über der Öffnung verschlossen, an dem ich mir prompt den Finger verletze, als ich ihn herausziehe. Es blutet leicht.
    Der Korb öffnet sich und enthüllt zwei Dinge: eine dünneHaarsträhne, die um einen Fetzen biegsam gerolltes Handschuhleder gewickelt ist, und ein merkwürdiges Etwas. Es ist ein Kreis aus Zweigen, durch den ein Geflecht von bunten Wollfäden gewirkt ist. Flaumfedern schmücken den Rand wie die Korona der Sonne, wenn sie hinterm Mond verschwunden ist.
    Seltsames Zeug. Seltsamer Rohstoff, wie von irgendwoher zusammengesucht.
    Den Finger im Mund, um das Blut abzusaugen, löse ich die Haarsträhne von dem Leder und entrolle es.
    Mein Herz tut ein paar harte Schläge.
    Das ist, wenn auch mit einer Tinte aus Pflanzensaft und mit zittriger Hand geschrieben, unverkennbar die Schrift meiner Muhdja. Wie sollte ich sie nicht erkennen, ich habe ihr ja schließlich selbst das Schreiben beigebracht!
    Sie lebt also, sie ist irgendwo, sie . . . sie spricht zu mir!
    Vor meinen Augen liegt ein Schleier. Ich muss erst ein paar Mal blinzeln, bevor ich entziffere, was sie da mit den unvollkommensten Mitteln auf das Leder gemalt hat   – manchmal muss ich mehr raten, als dass ich lese.
    Mein Gott, es sind Verse!
     
    »Wär' ich ein Schild, ich würde dich beschützen,
    Wär' ich Gewand, ich würde dich umhüllen,
    Wär' ich ein Haus, ich würde dich verstecken.
    Wär' ich ein Schwan, ich würde Trost dir singen,
    Wär' ich ein Hund, ich würde deine Wunden
    Mit meiner feuchten sanften Zunge lecken.
    Wär' ich ein Arzt, ich würd' dir Heilung bringen.
    Wär' ich ein Gott, ich würd' dein Leiden stillen
    Mit einem Zauber, der die wunde Seele
    Dir streichelt, dass dich nichts mehr quäle.
    Doch Allah weiß, ich kann zu gar nichts nützen.«
     
    Dann, am äußersten Rand dieses Lederfetzens: »Allah sei mit dir, meine Geliebte. Verzeih mir und suche nicht nach mir. Dies Ding aus Weidenzweigen, das ich dir sende, ist gut für schöne Träume. Häng es über dein Bett. Es vertreibt die bösen Mächte.«   –
     
    So hat es Allah oder das Schicksal gefügt, dass ich mich nun endgültig verabschieden muss von den drei Menschen, die ich bisher über alles geliebt habe. Das bunt gezwirnte Tuch meines Lebens hat fadenscheinige Stellen bekommen, man kann es gegen die Sonne halten und hindurchsehen ins hell leuchtende Nichts.
    So ein Nichts wie in der Sänfte, in dem nicht einmal der Geist des Kalifen Platz genommen hatte   – es war ja auch nur ein Betrug. Ein Betrug, geschmiedet aus Hass und Liebe.
    Mein Lebens-Tuch, wenn auch fadenscheinig. Aber es ist wirklich.
    Und um nichts in der Welt wünsche ich, diese dünn gewordenen Stellen auszubessern. Um nichts in der Welt.
    Auf hoher See gehören Lecks dazu. Darum aber gibt man sein Schiff nicht auf.
    Früher habe ich auf Träume nicht geachtet. Jetzt, unter dem Traum-Geschenk meiner Muhdja, das mir zu Häupten hängt, ziehen sie hinter meiner Stirn ihre Bahnen, kreuzen sich, vermischen sich, errichten ihre eigenen Bauwerke, lassen mich lachen und fliegen. Die wunderbar schwebenden Geschehnisse, die in diesen Räumen wohnen, neu zu ordnen und zu behalten, ist meine Arbeit. Nachts. In meinen Träumen.
    Am Tag habe ich anderes zu tun. Ich weiß nicht, wie viel sich von meinen Visionen einmal wird mit Händen greifen lassen. Es kommt auf

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