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Vamperl soll nicht alleine bleiben

Vamperl soll nicht alleine bleiben

Titel: Vamperl soll nicht alleine bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Welsh
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durchgeschlafen hatte. Vorsichtig ließ
     sie die Beine aus dem Bett hängen und stellte die Füße auf den Boden. »Vamperl!«, rief sie. »Ich kann wieder auf meinen eigenen
     zwei Füßen stehen!« Er rieb sich die Augen.
    »Heute wirst du staunen, mein Lieber.«

    Sie wusch sich, bürstete ihr Haar, steckte den Knoten sorgfältig auf und zog das Buntgeblümte an. Als Hannes mit den Frühstückssemmeln
     kam, war sie schon fertig.
    »Gerade rechtzeitig«, sagte er erleichtert. Er musste über das Wochenende zu seinem Vater fahren. »Machen Sie mir nur keine
     Dummheiten, während ich weg bin.«
    Sie lachten beide. Hannes hatte noch viele gute Ratschläge auf Vorrat, doch bevor er sie sagen konnte, tönte unten die Autohupe
     seines Vaters.
    »Zähneputzen nicht vergessen!«, rief er im Weglaufen.
    Vamperl hockte missmutig auf der Vorhangstange und zog Fäden aus der Gardine.
    »Hier wird nicht Trübsal geblasen!«, sagte Frau Lizzi energisch. »In drei Tagen ist er wieder da und wir beide gehen jetzt
     zu der, die uns erfunden hat. Soll sie sich einmal den Kopf zerbrechen.«
    Frau Lizzi zog die Schuhe an. Vamperl flog auf ihren Kopf, sie setzte behutsam den Strohhut auf.
    In der nächsten Telefonzelle schlug sie das Telefonbuch unter »W« auf. EinenMoment lang überlegte sie, ob sie sich anmelden sollte, aber dann fand sie das überflüssig.
    Gemächlich schlenderte sie die Straße hinauf. Vamperl holte sich sein Frühstück bei zwei Autofahrern, die um einen Parkplatz
     stritten.

    Vor einem hübschen alten, hellblau gestrichenen Haus blieb Frau Lizzi stehen und studierte die Klingeltafel. »Hier sind wir
     richtig«, erklärte sie Vamperl und drückte entschlossen auf eine Taste. Das Tor öffnete sich. Frau Lizzi ging hinauf in den
     zweiten Stock und klopfte.
    »Guten Morgen«, sagte ich.
    Frau Lizzi musterte mich. »Sie habe ich mir auch anders vorgestellt. Erkennen Sie mich wenigstens?«
    Ich zögerte. »Sie kommen mir bekannt vor, aber ich weiß im Augenblick wirklich nicht, wo ich Sie hintun soll.«
    Frau Lizzi marschierte einfach in meine Wohnung und sah sich alles genau an. Sie öffnete jede Tür. »Schön haben Sie es«, erklärte
     sie. »Allerdings – wann haben Sie zum letzten Mal abgestaubt?« Sie fuhr mit einem Finger über einen Bilderrahmen. »Mir hätten
     Sie ruhig auch so eine Wohnung geben können. Ein Badezimmer haben Sie natürlich auch. Und ganz in Weiß. Warum habe ich keines?
     Bin ich weniger wert als Sie?«
    Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Gefährlich sah die Frau ja nicht aus...
    »Sie sind doch nicht am Ende die Frau Lizzi?«, rief ich.
    »Wer denn sonst?«, sagte sie. »Natürlich bin ich die Frau Lizzi. Und den Vamperl habe ich auch mitgebracht.«
    Ich musste mich setzen. Sie schüchterte mich ein. Ich wusste beim besten Willen nicht, wie ich mich verhalten sollte.
    »Darf ich Ihnen vielleicht eine Tasse Tee anbieten?«
    »Danke«, sagte Frau Lizzi. »Ich trinke lieber Kaffee, das müssten Sie eigentlich wissen, und zwar einen ordentlich starken!«
    Ich war froh, dass ich etwas zu tun hatte.
    Frau Lizzi kam mir in die Küche nach. »Können Sie wenigstens kochen?«, fragte sie.
    »Es geht. – Wollen Sie meinen Apfelkuchen probieren?«
    Sie nickte gnädig.
    Das glaubt mir kein Mensch, dachte ich. Kein einziger.
    Frau Lizzi trug die Tassen ins Arbeitszimmer. Dort wollte sie lieber sitzen, sagte sie. Sie trat zu meinem Schreibtisch: »Eine
     schöne Wirtschaft«, stellte sie fest. »Machen Sie da nie Ordnung?«
    Ich war gekränkt, denn der Schreibtisch war gerade für meine Begriffe besonders schön aufgeräumt.
    Frau Lizzi nahm ein Blatt Papier in die Hand. »Was Sie für eine Krakelschrift haben. Das kann man ja kaum lesen.«

    Dann zeigte sie auf meine Schreibmaschine. »Ist das die, auf der Sie mich...«
    »Ja«, sagte ich.
    »Sie haben nicht einmal eine elektrische? Und keinen Computer?«
    »Nein.«
    Sie beugte sich vor. »Können Sie sich keinen leisten?«
    »Wenn ich wirklich wollte, könnte ich schon. Aber ich mag meine alte Schreibmaschine. Außerdem muss ich jeden Text immer wieder
     neu abschreiben und dabei verbessern, damit er so gut wird, wie ich’s eben kann.«
    Sie verzog den Mund. »Wie oft haben Sie uns neu geschrieben?«
    Ich dachte nach. »Das weiß ich nicht mehr so genau, es ist ja auch einige Jahre her. Drei-, viermal bestimmt.«
    Sie betrachtete mich mitleidig. »Drei-, viermal. Und da setzen Sie uns einfach in die Welt, mich und den Vamperl, und

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