Vampir-Expreß
elegant bewegten sich die Ober und Kellner, während sie ihr Tablett balancierten und das Lächeln stets wie festgeleimt in ihren Gesichtern klebte.
Wir waren beeindruckt. Wenigstens ich, denn Dragan Domescu hatte sich den Zug schon zuvor ansehen können.
Wir gelangten auch in den Speisewagen. Trotz der späten oder frühen Stunde wurde hier noch gegessen.
»Wie ist das eigentlich mit der Schlaferei?« erkundigte ich mich bei dem jungen Rumänen. »Führt dieser Zug auch Schlaf-oder Liegewagen?«
»Ja, ich glaube.«
»Für alle Reisenden?«
»Nein, auf keinen Fall. Da können wirklich nur wenige Reisende schlafen. Die meisten wollen auch nicht.« Er war stehen geblieben »Wie ist es mit Ihnen, John, wollen Sie noch einen Drink nehmen?«
»Später vielleicht. Zunächst einmal möchte ich mein Abteil sehen.«
»Unser Abteil.«
»Ja, natürlich.«
Dragan nickte. »Wir haben es nicht mehr weit. Im nächsten Wagen. Aber wie ich Ihnen sagte, wir sitzen nicht allein darin, sondern müssen es mit zwei Damen teilen.«
Ich grinste. »Das werde ich auch noch überleben.«
Dragan blieb ernst. »Die Junge vielleicht, aber die Alte scheint mir ein regelrechter Drachen zu sein.«
»Dann werde ich Blumen kaufen.«
Dragan war über meine Antwort irritiert. »Wieso?«
»So etwas bringen junge Männer ihren zukünftigen Schwiegermüttern mit.« Ich lachte, und zum erstenmal verzog auch Dragan seine Mundwinkel.
Zwischen den beiden Wagen mussten wir für einen Moment stehen bleiben. Der Zug fuhr in eine Kurve. Dann betraten wir den nächsten Abteilwagen.
Hier hatte man sich bereits zur Ruhe begeben. Daran zu erkennen, dass im Gang außerhalb der Abteile nur die Notbeleuchtung brannte. Dragan hatte sich vorgeschoben und blieb etwa in der Mitte des Wagens stehen. Seinen Körper hatte er nach links gedreht.
Ich schaute noch aus dem Fenster. Sehen konnte ich kaum etwas. Nur zerflatternde Dampfwolken huschten an den Außenscheiben entlang, und ich vernahm auch den schrillen Pfiff der Lok. Die Abteiltür besaß einen Handgriff aus Messing. Dragan umklammerte ihn, schaute mich noch einmal an und zog die Tür auf. Ich hatte zuvor nicht in das Abteil hineinschauen können, weil vor die Scheiben von innen Vorhänge gezogen waren.
Ob die beiden Frauen geschlafen hatten oder nicht, war mir nicht bekannt, jedenfalls zuckten sie zusammen, als die Tür so plötzlich aufgezogen wurde und sich Dragan für die Störung entschuldigte.
»Guten Abend!« wünschte ich und knipste mein bestes Lächeln an. Eigentlich hatten wir ja schon Morgen, aber mir fiel nichts Besseres ein. Die beiden Frauen hatten die Fensterplätze in Beschlag genommen Sie saßen sich gegenüber, und schauten uns gleichzeitig an. Auch hier waren die Sitze sehr bequem. Der Stoff zeigte ein Blümchenmuster, und der Gang zwischen den beiden sich gegenüberliegenden Reihen war breit genug, um die Beine ausstrecken zu können. Man hatte in diesen alten Zügen wirklich sehr auf das bequeme Reisen geachtet. Auch auf dem Tisch stand eine kleine Lampe. Ihr Licht schuf eine helle ovale Insel, die auch die Gesichter der Insassen erfasste, so dass ich sie erkennen konnte. Zwar trugen unsere beiden Begleiterinnen Hüte, dennoch reichte das Licht aus.
Rechts neben mir saß die ältere Frau. Sie trug dunkelbraune Reisekleidung. Ein Cape lag auf ihrem Schoß. Die Kostümjacke umspannte ihre korpulente Figur. Der Rock reichte fast bis auf den Boden. Auf ihrem Kopf saß ein ebenfalls brauner Hut, an dessen Vorderseite ein Schleier bis fast an die Nasenspitze fiel. Von ihrem Haar war nicht viel zu erkennen, ich sah nur einige wenige graue Strähnen.
Als wir eintraten, hob sie den rechten Arm. Ihre dünnen Finger fassten den Schleier an seinem unteren Rand und hoben ihn in die Höhe, so dass die Person mich anschauen konnte.
Zum erstenmal sah ich das Gesicht.
Es war alt. Ich will damit nichts gegen die Gesichter älterer Menschen sagen, aber dieses hier zeigte einen verkniffenen und verbissenen Ausdruck. Die Härte stand in den Zügen wie festgemeißelt. Dazu passten auch die Augen, die mich an glanzlose Knöpfe erinnerten. Sie lagen in den Höhlen und strahlten überhaupt keine Freundlichkeit ab. Die Nase stach klein, aber spitz aus dem Gesicht hervor, der Mund wirkte über dem Kinn wie ein Spalt in der Haut.
Schon in den ersten Sekunden war mir klargeworden, dass diese Frau und ich nie Freunde werden konnten, dazu war sie einfach nicht der Typ. Sie erwiderte auch mein Lächeln
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