Vampiralarm (German Edition)
glauben, dass sie von alldem nichts gewusst hatte. Und Darlenes Eltern waren, wie sie wusste, äußerst streng. Nicht auszudenken, was sie mit ihrer Tochter anstellten, wenn herauskam, dass sie neuerdings eine Karriere als Ladendiebin anstrebte!
So nahm Colleen schließlich alle Schuld auf sich. Was dann kam, war entsetzlich. Die Stunden auf dem Polizeirevier und die Befragungen waren nicht einmal das Schlimmste. Die Enttäuschung im Blick ihrer Eltern war es, die Colleen am meisten mitnahm. Doch niemals hätte sie damit gerechnet, was ihre Entscheidung, Darlene zu decken, noch für Konsequenzen nach sich ziehen sollte …
Ein paar Tage später teilten ihre Eltern ihr nämlich mit, dass sie sie für ein Jahr zu ihrem Großvater Jock Stevens nach Arizona schicken wollten. Um ihr die Flausen auszutreiben, wie sie es nannten. Colleen hingegen hatte eher das Gefühl, ins Exil geschickt zu werden. Ein Jahr in einem kleinen Kaff in Arizona – das war für eine Fünfzehnjährige, die in der Stadt aufgewachsen war, so gut wie lebenslänglich!
Sie hatte gefleht und gebettelt, gejammert und geheult, doch es hatte alles nichts gebracht. Ihre Eltern waren hart geblieben, und so befand sie sich jetzt auf dem Weg zu ihrem Großvater nach Jaspers Landing. Schon allein der Name ließ ahnen, dass sich hier Fuchs und Hase gute Nacht sagten.
Und Darlene? Die war vor ein paar Tagen reumütig zu ihr nach Hause gekommen. "Das habe ich nicht gewollt", hatte sie gesagt. "Ich erkläre deinen Eltern, was wirklich geschehen ist, okay? Es tut mir so furchtbar Leid! Ich weiß selbst nicht, was da in mich gefahren ist …"
Doch Colleen hatte den Kopf geschüttelt. "Mach dir um mich mal keine Sorgen, okay? Die zwölf Monate kriege ich schon rum. Kein Grund, dass du dich jetzt auch noch in Schwierigkeiten bringst. Hauptsache, du schreibst mir ab und zu …"
Das hatte Darlene ihr natürlich hoch und heilig versprochen, und so waren sich die beiden einig darin gewesen, bei der Version, die Colleen ihren Eltern aufgetischt hatte, zu bleiben.
Jetzt allerdings, wo sie wirklich im Bus auf dem Weg nach Jaspers Landing saß, war Colleen keineswegs mehr so sicher, dass das ein Jahr fernab der Zivilisation tatsächlich so rasch vorübergehen würde, wie sie ihrer Freundin gesagt hatte. Was, wenn sie sich mit ihrem Grandpa überhaupt nicht verstand? Sie kannte ihn ja eigentlich gar nicht, hatte ihn zuletzt auf der Feier zu ihrem sechsten Geburtstag gesehen.
Doch es brachte nichts, sich darüber jetzt noch Gedanken zu machen. Frustriert fuhr sich Colleen durch das lange, kupferfarbene Haar. Sie musste da jetzt durch, egal, wie sie es anstellte …
"Entschuldigen Sie, aber wenn mich nicht alles täuscht, müssen Sie beim nächsten Stopp raus, junge Lady."
Colleen blinzelte verwirrt. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass sie eingeschlafen sein musste. Ihr Sitznachbar, ein älterer Herr mit schlohweißem Haar und freundlich dreinblickenden Augen, musterte sie lächelnd. "Jaspers Landing, so war doch der Name der Ortschaft, zu der Sie wollen, nicht wahr?"
Colleen nickte, wischte sich hastig den Schlaf aus den Augen und schaute aus dem Fenster. Gerade passierten sie das Ortseingangsschild von Jaspers Landing. "Ja richtig, Mister. Vielen Dank!"
Sie schulterte ihren schweren Rucksack und trat auf den Gang. Ein paar Minuten später lenkte der Fahrer den Bus an den Straßenrand. Mit einem leisen Zischen glitten die Türhälften auseinander.
"Gute Fahrt noch", rief sie ihrem Sitznachbarn zu, bevor sie die Trittstufen hinunter auf die staubige Straße sprang.
Gepäck hatte sie, außer ihrem Rucksack, keines dabei, da ihre Eltern ihr das Meiste bereits vorausgeschickt hatten. Und weil außer ihr niemand in Jaspers Landing aussteigen wollte, brauste der Bus einen Augenblick später auch schon wieder davon und verschwand in einer gewaltigen Staubwolke aus ihrem Blickfeld.
Seufzend sah sich Colleen um. Die Haltestelle des Greyhounds schien etwas außerhalb der eigentlichen Ortschaft zu liegen. Nach Häusern hielt sie jedenfalls vergeblich Ausschau. Auch hier schien es nur die ewig gleiche Aneinanderreihung von Maisfeldern zu geben.
Sie kniff die Augen zusammen. Hatte ihre Mom nicht gesagt, dass ihr Großvater sie abholen wollte? Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Nein, sie war nicht zu früh dran. Eigentlich war sie sogar ziemlich pünktlich. Doch Grandpa Jock war nirgendwo zu sehen.
Das fängt ja prächtig an!, dachte sie grimmig. Es
Weitere Kostenlose Bücher