Vampirblut (German Edition)
gerne wüsste, was Tucker da gesehen hatte. Tucker wirkte auf mich nicht wie ein Junge, den etwas schnell aus der Bahn werfen konnte. Doch dieses Dingsbums hatte ihn zumindest soweit verwirrt, dass er für Sekunden vollkommen erstarrt war. Ich musste es einfach mit eigenen Augen sehen.
Ich nahm all meinen Mut zusammen – was nicht viel war – und machte mich daran diesen Geröllberg zu erklimmen. Vorsichtig, ganz langsam, kroch ich mit der Lampe in meinem Gürtel, den Berg hoch, immer bemüht die Steine nicht ins Rollen zu bringen. Keine Ahnung wie viele meiner manikürten Fingernägel mich diese Aktion gekostet hatte, aber es war mir egal. Auch die Schmerzen, die die Steine an meinen Fingern verursachten, wenn ich diese in ihren Zwischenräumen vergrub, ignorierte ich.
Ich war fast oben, als der Berg doch ins Rutschen kam. Circa fünfzig Zentimeter rutschte ich wieder nach unten, bevor ich, vor Angst nach Luft schnappend, wieder Halt bekam. Für einen kurzen Augenblick hielt ich die Luft an und betete, dass meine Neugier mich nicht das Leben kosten würde, aber jetzt war ich schon fast oben. Jetzt aufgeben hieße vor mir selber eine Schwäche eingestehen, und dazu war ich nicht bereit. Nicht hier unten. Die Steine unter mir prasselten geräuschvoll den Berg hinunter, um dann unten hüpfend den Gang, den wir gekommen waren, zu durchqueren. Ich wartete kurz, bis sich der Berg wieder beruhigt hatte, dann kletterte ich wieder nach oben. Endlich oben angekommen lugte ich vorsichtig über den Rand des Berges aus Geröll und Schutt.
Es war unglaublich. Das Faszinierendste, Schönste, was ich je gesehen hatte. Einige Meter hinter dem Schuttberg befand sich eine Art silberne Scheibe; rund, ungefähr zwei Meter im Durchmesser, war sie tief ins Gestein einer Felswand eingelassen. Sie war metallisch und hatte goldene Verzierungen. In der Mitte glaubte ich eine riesige goldene Schlange, deren Maul weit aufgerissen war, zu erkennen. Um sie herum waren kreisförmig, fünf Furcht einflößende Fratzen angebracht. Monster mit runden, weit geöffneten Mäulern und Hörnern auf dem Kopf starrten mich an. Es sah aus, als würden sie mir etwas zurufen wollen – Monster wie die aus meinen Träumen. Am äußeren Rand befanden sich noch andere Symbole. Ich erkannte eine Sonne, Vögel und andere Tiere. Ich hatte nie zuvor in meinem Leben etwas ähnlich Überwältigendes gesehen. Und ich konnte mir nicht erklären, was das, was ich da vor mir sah, sein sollte. Ich musste Tucker recht geben, es sah aus, wie aus einem Hollywoodfilm.
Und da war etwas. Etwas, das mich anzog und gleichzeitig abstieß. Etwas, das ein Vibrieren in mir auslöste. Für einen Moment war es fast so, als würde dieses Ding mich zu sich rufen. Und wie hypnotisiert wollte ich aufstehen und hinüber auf die andere Seite klettern. Nur Tuckers ungeduldiger Ruf hielt mich davon ab.
Ich warf einen letzten respektvollen Blick auf das runde Ding, das so viele zwiespältige Gefühle in mir auslöste; Bewunderung, Anziehung und doch auch leise Angst und Abneigung.
Dakota schien sich mittlerweile wieder gefangen zu haben. Tucker hielt sie noch immer fest umschlungen in seinen Armen. Wären wir nicht hier unten gefangen, ich würde neidloses Glück für Dakota empfinden. Es war unglaublich, wie er sich um sie sorgte. Sollte ich mich jemals dazu entschließen einem Jungen eine Chance zu geben, musste er so sein wie Tucker, da war ich mir sicher. Ein netter, ordentlicher Junge, der mich liebte, wie ich war.
„Was denkst du, was das ist“, fragte ich Tucker noch immer fassungslos.
Er schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung, aber ich denke, vorerst sollten wir das für uns behalten, zumal uns wohl sowieso niemand glauben wird. Ich hatte da oben irgendwie, so ein merkwürdiges Gefühl. So als würde es mich rufen, aber auch, als würde etwas Böses davon ausgehen.“
„Das habe ich auch gefühlt“, antwortete ich erstaunt, weil auch Tucker das bemerkt hatte.
Wir beschlossen den Gang wieder zurück zu gehen, und es mit der zweiten Abzweigung zu versuchen. Irgendwo musste es einfach einen Ausgang geben, hoffte ich von ganzem Herzen.
Der zweite Gang war dem Ersten sehr ähnlich. Die Luft war genauso stickig, die Decke etwas niedriger. Wir konnten uns nur geduckt fortbewegen – was das Atmen zusätzlich erschwerte.
Tucker hatte die Batterien der Taschenlampe inzwischen gewechselt, leider hatte er nicht noch mehr Ersatz dabei, was mich beten ließ, dass wir hier raus waren,
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