Vampirdämmerung / Roman
und die Scherben in ihrem Innern zusammenzufügen, dann konnte sie vielleicht anderen helfen.
Sie fand das Sommerzimmer vor, wie sie es verlassen hatte: verwüstet. Dies war ihr Heim gewesen, das Heim, das sie sich erträumt und nach dem sie sich gesehnt hatte, und es war zerstört worden.
Wie alles andere.
Weinen erschien ihr sinnlos. Sie hatte bereits geschluchzt, bis ihr der Brustkorb wehtat.
Es gab so vieles, worum sie hätte weinen können – und dennoch war es vergebens. Es änderte nichts.
Atreus war endlich von seinem Wahnsinn befreit worden. Eines Tages würde Constance die Energie aufbringen, sich zu fragen, ob sein Wahnsinn schuld an dem gewesen war, was er mit dem Avatar gemacht hatte, oder ob seine Liebe zu ihm dem Wahnsinn entsprungen war. Gegenwärtig zählte einzig, was er zerstört hatte, wie viele er zerstörte, ehe er sich schließlich selbst vernichtete.
Im Drama des großen Atreus von Muria war Constance das, was man einen Kollateralschaden nannte. Nach zweieinhalb Jahrhunderten, die sie ihm gedient hatte, hatte ihr Herr ihre Welt zuschanden gemacht, ohne einen einzigen Gedanken an ihr Glück zu verschwenden. Und nicht nur an ihres. Am Ende hatte sie ihn losgelassen, um das Blutvergießen aufzuhalten, das noch folgen sollte.
Sie hatte endgültig mit ihrem Herrn und Meister gebrochen.
Ihre große Geschichte war letztlich so kurz, dass sie auf einem Taschentuch Platz fände.
Ein Mann hatte sie geliebt – trotz ihrer menschlichen Schwäche und ihrer Vampirstärke, trotz ihrer Unschuld und ihrem Blutdurst. Er war zurückgekommen, obgleich sie ihn gebeten hatte, sein Leben für ein Kind zu geben, das nicht seines war.
Und dann starb er und verließ sie.
Mac war tot.
Es war ihre Schuld.
Ereignisse reihten sich aneinander wie Perlen auf einer Kette, und sie alle führten zurück zu ihr. Lor hatte sie gewarnt, nicht nach ihren Vampirkräften zu verlangen, doch sie war der Versuchung erlegen. Beim ersten Mal, als sie diese Kräfte richtig einsetzte, hatte sie Atreus befreit. Der Mac tötete.
Und in ihr existierte nichts mehr außer sprachloser, stummer Trauer.
Sie sank auf das Sofa und bemühte sich, nicht auf die klaffende Wunde zu schauen, die Brans Schwert dem Möbel zugefügt hatte. Dennoch fühlte sie die Holzsplitter in ihrer Hand und unter Hollys Rock, in dessen weiche Baumwolle sie sich bohrten.
Constance bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen, um das Kerzenlicht auszusperren. Bran mochte sämtliche Möbel zerschlagen haben, doch die magischen Kerzen brannten nach wie vor, ohne dass ihre Größe sich im Geringsten veränderte.
Nur die falschen Dinge schienen ewig weiterzugehen.
Kalte Luft wehte durch das Zimmer. Seit die Tür zerstört war, konnte nichts die unvorhersehbaren Luftströmungen in der Burg draußen halten. Constance erschauderte. Ihr fehlte Macs Wärme. Ihr fehlte Mac!
Neue Kälte floss über sie hinweg, diesmal deutlicher zu fühlen. Sie erzitterte und fand irgendwie die Kraft, aufzustehen und einen der Wandteppiche über der Türöffnung zu drapieren.
Connie?
Erschrocken sah sie sich um. Sie hatte Macs Stimme gehört, doch hier war niemand, nichts in dem Zimmer außer ihr.
Der Kummer verwirrt mir die Sinne.
»Connie!«
Erstaunlicherweise kam Macs Stimme von dem Kerzenständer neben dem Kamin.
Constance seufzte. Nun gut. Jeder in der Burg schien den Verstand verloren zu haben – Viktor und Atreus zum Beispiel. Jetzt traf es auch sie. Sie setzte sich wieder auf das Sofa.
»Connie.«
Vor Schreck stockte ihr der Atem. Das war direkt vor ihrem Gesicht gewesen!
Das Licht flackerte, und alle Kerzenflammen zuckten. Langsam, sehr langsam erschien Mac vor ihr, der sich über das Sofa beugte und sie anstarrte.
»Ich kann durch dich hindurchsehen«, flüsterte sie.
»Das hat meine Mutter auch immer gesagt.«
Seine Stimme streichelte sie, und mit einer Welle winziger Beben kehrten ihre Gefühle zurück. Nach dem plötzlichen Verlust war ihre Erleichterung unbeschreiblich.
Und dann war er wieder fort. »Mac?« Ja, sie verlor wahrlich den Verstand.
Eine kalte Brise strich durch den Raum, so eisig, dass Constance bibberte. Dann jedoch fühlte sie seine Lippen, weich und hart zugleich, vertraut und warm. Sie brannten nicht mehr, ihnen war jedoch all die Hitze eines Mannes inne, der mit seiner Frau wiedervereint wurde.
Und da war er erneut, ein durchsichtiger Schatten seiner selbst, der sich zu ihr neigte, um sie zu umarmen. Constance verharrte vollkommen still,
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