Vampire Academy 03 ● Schattenträume
vergingen sie doch. Irgendjemand rief, dass die Wächter zurückkämen. Ich sprang auf und lief los, um sie möglichst früh zu sehen. Aber was ich dann sah, ließ mich wie angewurzelt stehen bleiben. Tragen. Tragen mit den Leichen derer, die getötet worden waren.
Tote Wächter, die Gesichter bleich, die Augen blicklos. Einer der Moroi, die bei uns waren, entfernte sich von der Gruppe und erbrach sich ins Gebüsch. Lissa weinte. Einer nach dem anderen wurden die Toten an uns vorbeigetragen. Ich starrte sie an, kalt und leer im Innern, und fragte mich, ob ich ihre Geister sehen würde, wenn ich das nächste Mal die Schutzzauber verließ.
Schließlich war die ganze Gruppe vorbeigezogen. Fünf Leichen, aber sie waren mir vorgekommen wie fünfhundert. Und eine Leiche hatte ich nicht gesehen. Eine, die ich gefürchtet hatte. Ich lief zu meiner Mutter. Sie half, eine Bahre zu tragen. Sie wich meinem Blick aus, denn sie wusste zweifellos, mit welcher Frage ich zu ihr kam.
„Wo ist Dimitri?”, verlangte ich zu erfahren. „Ist er....” Es war zu viel, darauf zu hoffen. „Ist er am Leben?” Oh Gott. Was war, wenn meine Gebete erhört worden waren? Was, wenn er verletzt in einer der Höhlen lag und darauf wartete, dass sie ihm einen Arzt schickten?
Meine Mutter antwortete nicht sofort. Als sie dann doch zu sprechen begann, erkannte ich ihre Stimme kaum. „Er war nicht da, Rose.”
Ich stolperte über den unebenen Boden und musste mich beeilen, um sie wieder einzuholen. „Augenblick mal, was soll das heißen? Vielleicht ist er verletzt und hat sich auf den Weg gemacht, um Hilfe zu holen....”
Sie wollte mich noch immer nicht ansehen. „Molly war ebenfalls nicht da.” Molly war die Moroi, an der die Strigoi sich zwischendurch gütlich getan hatten. Sie war in meinem Alter, hochgewachsen und schön. Ich hatte ihren vollkommen blutleeren Leichnam in der Höhle gesehen. Sie war definitiv tot gewesen. Auf keinen Fall konnte sie verletzt aus der Höhle gestolpert sein. Molly und Dimitri. Aber ihre Leichen waren fort.
„Nein”, stieß ich hervor.„Du glaubst doch nicht .... ”
Eine Träne rann aus dem Auge meiner Mutter. So etwas hatte ich noch nie bei ihr erlebt. „Ich weiß nicht, was ich glauben soll, Rose. Wenn er überlebt hat, ist es möglich.... ist es möglich, dass sie ihn für später mitgenommen haben.”
Der Gedanke an Dimitri als einen „Imbiss” war zu schrecklich, um ihn in Worten auszusprechen - aber er war nicht so schrecklich wie die Alternative. Das wussten wir beide. „Aber sie hätten Molly nicht für später mitgenommen. Sie war schon eine Weile tot.”
Meine Mutter nickte. „Es tut mir leid, Rose. Wir können es nicht mit Bestimmtheit wissen. Es ist wahrscheinlich, dass sie beide einfach tot sind und dass die Strigoi ihre Leichen weggeschleppt haben.”
Sie log. Es war das erste Mal in meinem ganzen Leben, dass meine Mutter mir eine Lüge erzählte, um mich zu beschützen. Sie neigte nicht dazu, jemanden zu trösten, war nicht der Typ Frau, der hübsche Geschichten erfand, damit sich jemand anders besser fühlte. Sie sagte sonst immer die unerfreuliche Wahrheit.
Diesmal aber nicht.
Ich blieb stehen, und die Gruppe defilierte weiter an mir vorbei.
Lissa holte mich ein, besorgt und verwirrt. „Was ist los?”, fragte sie.
Ich antwortete nicht. Stattdessen drehte ich mich um und rannte zurück, zurück zu den Schutzzaubern. Sie lief mir nach und rief meinen Namen. Niemand sonst bemerkte uns, denn ehrlich: Wer in aller Welt war dumm genug, um die Schutzzauber zu überqueren, nach allem, was geschehen war?
Ich war es, obwohl ich bei Tageslicht nichts zu fürchten hatte. Ich rannte an der Stelle vorbei, an der Jesses Gruppe Lissa angegriffen hatte, und trat über die unsichtbaren Linien, die die Grenzen des Schulgeländes markierten. Lissa zögerte einen Moment und folgte mir dann. Sie war außer Atem, als sie mich einholte.
„Rose, was tust du....”
„Mason!”, rief ich. „Mason, ich brauche dich.”
Es dauerte eine Weile, bis er erschien. Diesmal wirkte er nicht nur äußerst bleich, er schien auch zu flackern, wie ein Licht, das bald erlöschen würde. Er stand da und beobachtete mich, und obwohl seine Miene genauso wirkte wie immer, hatte ich das unheimliche Gefühl, dass er wusste, was ich fragen würde. Lissa, die neben mir stand, blickte zwischen mir und der Stelle, zu der ich sprach, immer wieder hin und her.
„Mason, ist Dimitri tot?” Mason schüttelte den
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