Vampire Academy 05
würde mein Leben annehmen? Wer würde darüber entscheiden? Und wie konnte ich Victor erreichen, wenn ich als Wächterin jemand anderem als Lissa zugeteilt wurde?
Quer durch den Raum fing ich Lissas Blick auf. In ihren Augen brannte ein Stolz, der dem meiner Mutter gleichkam, und sie grinste, als sich unsere Blicke trafen.
Nimm diesen Ausdruck vom Gesicht, tadelte sie mich durch das Band. Du solltest nicht so ängstlich dreinschauen, nicht heute. Du musst doch feiern.
Ich wusste, dass sie recht hatte. Ich konnte mit dem, was nun kam, fertigwerden. Meine Sorgen, die zahlreich schienen, konnten noch einen Tag länger warten – insbesondere, da die überschwängliche Stimmung meiner Freunde und meiner Familie sicherstellte, dass ich tatsächlich feiern würde. Abe hatte mit seinem Einfluss, der sich praktisch überallhin zu erstrecken schien, einen kleinen Festsaal gemietet und eine Party für mich arrangiert, die eher einer königlichen Debütantin angemessen schien, nicht aber irgendeinem niederen, verwegenen Dhampir.
Vor dem Fest zog ich mich noch einmal um. Hübschere Partykleider schienen mir jetzt angemessener zu sein als mein formelles Outfit für die Zeremonie. Ich zog ein kurzärmeliges, smaragdgrünes Etuikleid an und hängte mir meinen Nazar um den Hals, obwohl er nicht dazu passte. Der Nazar war ein kleiner Anhänger, der wie ein Auge aussah, mit verschiedenen Blauschattierungen, die ihn umrahmten. In der Türkei, Abes Heimatland, glaubte man daran, dass er Schutz bot. Abe hatte ihn vor Jahren meiner Mutter geschenkt, und sie hatte ihn ihrerseits mir geschenkt.
Nachdem ich mich geschminkt und mein verheddertes Haar zu langen, dunklen Wellen gebürstet hatte (denn meine Tätowierungsverbände passten überhaupt nicht zu dem Kleid), sah ich kaum noch wie jemand aus, der imstande war, gegen Ungeheuer zu kämpfen oder auch nur einen Boxhieb zu landen. Nein – das war auch wieder nicht ganz wahr, begriff ich einen Moment später. Als ich in den Spiegel blickte, sah ich zu meiner Überraschung einen gehetzten Ausdruck in meinen braunen Augen. In ihnen lag Schmerz, Schmerz und Verlust, den nicht einmal das hübscheste Kleid und das perfekteste Make-up verbergen konnten.
Ich ignorierte es jedoch und machte mich auf den Weg zur Party, wobei ich prompt Adrian über den Weg lief, kaum dass ich mein Wohnheim verlassen hatte. Ohne ein Wort riss er mich in die Arme und erstickte mich mit einem Kuss. Es erwischte mich vollkommen unerwartet. Was ganz passend war. Untote Kreaturen überraschten mich nicht, aber ein schnippischer königlicher Moroi vermochte dies durchaus.
Und was war das für ein Kuss, dem ich mich mit beinahe schlechtem Gewissen hingab. Als ich anfangs mit Adrian ausgegangen war, hatte ich noch Sorgen gehabt, aber viele von ihnen waren mit der Zeit verschwunden. Nachdem ich ihn so lange beobachtet hatte, wie er schamlos flirtete und nichts ernst nahm, hatte ich niemals erwartet, in unserer Beziehung eine solche Hingabe von seiner Seite zu erleben. Ich hatte auch nicht erwartet, dass meine Gefühle für ihn wachsen würden – was so widersprüchlich schien, wenn man bedachte, dass ich noch immer Dimitri liebte und unmögliche Wege ausheckte, um ihn zu retten.
Ich lachte, als Adrian mich wieder auf den Boden stellte. In der Nähe waren einige jüngere Moroi stehen geblieben, um uns zu beobachten. Moroi, die mit Dhampiren gingen, waren in unserem Alter nicht so ungewöhnlich, aber ein berüchtigter Dhampir, der mit dem Großneffen der Moroi-Königin ausging? Das schien doch ziemlich daneben – vor allem, da allgemein bekannt war, wie sehr mich Königin Tatiana hasste. Bei meiner letzten Begegnung mit ihr waren nur wenige Zeugen zugegen gewesen; damals hatte sie mich angeschrien und mir befohlen, mich von Adrian fernzuhalten. Aber solche Dinge sprechen sich immer herum.
„Gefällt euch die Show?“, fragte ich unsere Voyeure. Als sie begriffen, dass sie aufgeflogen waren, setzten die jungen Moroi hastig ihren Weg fort. Ich wandte mich wieder zu Adrian um und lächelte. „Was war das? Das war ein ziemlich heftiger Kuss, um mich in der Öffentlichkeit damit zu überraschen.“
„Das“, sagte er großspurig, „war deine Belohnung dafür, dass du bei diesen Prüfungen so viele Arschtritte verteilt hast.“ Er hielt inne. „Außerdem war er dafür, dass du in diesem Kleid richtig heiß aussiehst.“
Ich bedachte ihn mit einem schiefen Blick. „Belohnung, hm? Merediths Freund hat ihr
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