Vampire Earth 1 - Tag der Finsternis
ihr Leben aufs Spiel, aber sie waren bewaffnet und von Kameraden umgeben, die alles tun würden, um ihnen zu helfen. Hier im Verlorenen Land trotzte diese unbewaffnete,
isoliert lebende Bauernfamilie den Kur so gut wie allein; die Carlsons brachten ihre Kinder in Gefahr, weitab von jeder Hilfe. Valentine fragte sich, ob die Bären, die er kennengelernt hatte, über solchen Mut verfügten.
Stunden später hörte er, wie Kurt im Schlaf wimmerte. Er stand von seiner Pritsche auf und schlich im Dunkeln zum Bett des Jungen, dann legte er sich zu ihm und wiegte ihn, bis Kurt nach seiner Hand griff und das verschlafene Weinen aufhörte. Lang unterdrückte Erinnerungen erwachten und quälten Valentine. Der Geruch nach gekochten Tomaten und die Bilder vor seinem geistigen Auge waren so schrecklich und lebhaft, als wäre es an diesem Nachmittag erst geschehen. Während er den Jungen im Arm hielt, liefen ihm Tränen über die Wangen und in das selbst genähte Kissen.
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L aGrange, Wisconsin: Über das Städtchen LaGrange gibt es nicht viel zu sagen. An der T-Kreuzung einer alten State Road mit einem County Highway gibt es ein Futtermittelgeschäft und einen behelfsmäßigen Textilienladen. In den Geschäften zahlt man mit kleinen grünen Rationsgutscheinen, die außerhalb des Territoriums des Madison-Triumvirats ungültig sind. Gegenüber dem Futtermittelgeschäft befinden sich das Haus und die laute Werkstatt des Schmieds. Der Schmied und seine Frau arbeiten schwer, aber sie wissen auch ihre Freizeit zu schätzen, und der überdachte Windfang zwischen ihrem Haus und der Garage ist beinahe so etwas wie die Bar der kleinen Stadt. Einer oder beide sind offenbar immer bereit, sich mit einer Tasse Tee, einem Glas Bier oder einem selbst gebrannten Schnaps zu den Besuchern zu setzen. Die Frau des Schmieds schneidet auch Haare, und wer lange genug hier gewohnt hat, kann am Ergebnis erkennen, wie viel sie bereits getrunken hat.
Das eigentliche LaGrange besteht aus den Bauernhöfen der Umgebung, wo überwiegend Mais und Bohnen angebaut werden und
Milchwirtschaft betrieben wird. Die kleinen Höfe breiten sich am Fuß der hohen westlichen Hügeln aus, die die Landschaft beherrschen. Die Ernte wird nach Monroe transportiert, von wo aus dreimal in der Woche ein Zug nach Chicago fährt.
Um hier zu überleben, braucht man einen produktiven Hof und darf keine unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich lenken. Tagsüber sind die Patrouillen im Auto oder zu Pferd unterwegs und suchen nach unbekannten Gesichtern. Landstreicher und Unruhestifter verschwinden im Verwaltungsgebäude in Monroe und werden selten wieder gesehen. Nachts bleiben die Bewohner von LaGrange im Haus, denn man weiß nie, ob Schlächter unterwegs sind.
Die Menschen hier leben wie eine Zebraherde, die von Löwen umgeben ist. Man geht seiner täglichen Routine nach und sucht Sicherheit in größeren Gruppen, und manchmal vergehen Jahre, in denen nur die Alten, die Kranken und die Unruhestifter geholt werden. Die Häuser sind bescheiden und mit allem möbliert, was nach der Niederlage noch zu retten war. Die Kur liefern im Austausch für die Arbeit wenig außer den Rationsgutscheinen, aber ein hervorragendes Produktionsjahr oder ein besonderer Dienst für die Herrschenden kann mit einer sogenannten »Garantie« belohnt werden, die die Familie für ein paar Jahre schützt. Die Kur liefern nur das Notwendigste an Essen, Kleidung und Material, um die Häuser zu erhalten. Aber die Menschen sind, was sie sind: Sie können sich beinahe an alle Bedingungen anpassen, und die Bewohner haben durch die Entbehrungen und Gefahren zu einer Art von Zusammenhalt gefunden. Sie bauen gemeinsam Scheunen, decken Dächer, nähen Quilts und tauschen eifrig gebrauchte Kleidung, und wenn solche Veranstaltungen hin und wieder mit »Gedenken« an jene abwechseln, die von den Kur geholt wurden, haben die Leute hier zumindest die Möglichkeit, einander in ihrer Trauer beizustehen.
Valentine erinnerte sich kaum an die ersten paar Tage bei den Carlsons. Gonzales ging es schlechter, und als der Wolf
durch den Schock der Verletzung in einem Fieber versank, hatte Valentine zu viel mit Gonzales’ Pflege zu tun, um irgendetwas zu bemerken, das außerhalb des winzigen Kellerraums geschah.
Drei lange, dunkle Tagen blieb Valentine an Gonzales’ Seite, obwohl er nicht viel mehr tun konnte, als sich Sorgen zu machen. Die Wunde schien jedoch ziemlich gut zu heilen, auch wenn sich Gonzales kurz vor Einsetzen des
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