Vampire Earth 1 - Tag der Finsternis
und manchmal kann nicht einmal der Meister das erkennen. Du wirst es schon schaffen.«
Valentine musste wieder und wieder an Gavineaus Worte denken, als er zusammen mit zehn anderen Aspiranten den Berg hinaufkletterte, der letzten Gruppe, die sich mit dem Weltenweber treffe sollte, der als Amu, der Hexenmeister oder Vater Wolf bekannt war.
Winterhome Mountain, die knapp 700 Meter hohe Erhebung aus Stein und Schnee, sah von einer Seite aus wie ein Haifischzahn, von einer anderen wie ein leicht durchhängendes Tipi. Die Höhle befand sich etwa auf halbem Weg nach oben, am oberen Ende eines grasigen Hangs, der von der Klippe begrenzt wurde, von der Marquez in den Tod gestürzt war. Ein paar Ziegen grasten hier, einige fraßen die Rinde von den Krüppelkiefern, andere kratzten im harten Schnee, um darunter verdorrtes Farnkraut zu finden.
Zwei Totempfähle flankierten den halbmondförmigen Eingang zur Höhle. Geschnitzte Wolfsköpfe mit gespitzten Ohren und aufmerksamem Blick krönten die Pfähle. Der Rest war mit eingeschnitzten Namen überzogen, einige mit Daten dahinter. Valentine kam zu dem Schluss, dass es sich um Gedenkpfähle handeln musste, bewegliche Grabsteine für Wölfe, die im Kampf umgekommen waren.
Nicht schlecht, dachte er. Nur ein paar hundert Namen für zwanzig Jahre des Kampfes.
Direkt innerhalb der Höhle bildeten elf weitere Pfähle, bedeckt mit eng geschriebenen Namen, ein Spalier, unter
dem die Rekruten hindurchzogen wie Jungvermählte unter gekreuzten Schwertern. Valentine hielt inne und fuhr mit dem Finger über die Namen auf einem der Pfähle. Würde auch sein Name eines Tages hier stehen?
Der Gang weitete sich zu einer tränenförmigen Höhle mit einem Vorhang am anderen Ende. Dieser Vorhang war vielleicht einmal ein Wandteppich gewesen; Valentine konnte in dem trüben Licht, das durch den Eingang hereinfiel, nicht viel erkennen, auch nicht, nachdem seine Augen sich angepasst hatten. Die beiden Wölfe, die sie führten, bedeuteten ihnen, sich hinzusetzen.
»Seid einfach still und lasst ihn eine Weile an euch arbeiten«, erklärte einer von ihnen. »Nach der Zeremonie werden die anderen ein wenig unruhig sein, also verhaltet euch ruhig, wenn sie rauskommen.«
Der Vorgang bewegte sich, und eine feuchte schwarze Nase erschien. Ein Kopf, so groß wie ein Preiskürbis, hob den Vorhang, und man sah blitzende blaue Augen, die Valentine an die Huskys von den Boundary Waters erinnerten. Ein Wolf von der Statur eines Ponys betrat den Kreis der Aspiranten, die an der Wand der Höhle saßen. Sein Fell war beinahe vollkommen weiß, nur aus der Nähe waren ein paar schwarze Haarspitzen zu erkennen. Er schnupperte an allen und ging dann auf Pfoten von der Größe von Pferdehufen weiter.
»Ich danke euch allen, dass ihr euch eure Plätze in dieser Höhle verdient habt«, ertönte eine wohlklingende, kultivierte Stimme aus der Schnauze des Wolfs, ohne dass sie sich zu bewegen schien. Der Wolf flimmerte und verschwamm, und dann sahen sie einen lächelnden alten Mann vor sich. »Verzeiht mir den dramatischen Auftritt; es ist eine Illusion, die eure Vorfahren beeindruckt hat. Ich führe es aus Liebe zur Tradition weiter. Ich hoffe, ihr wisst alle, wer ich bin.«
»Amu«, sagten einige. »Der Hexenmeister«, murmelten andere. Valentine nickte einfach nur. Es war etwas Edles, Starkes an diesem Mann, dachte er, aber in seinen eisig blauen Augen lag auch eine winzige Spur erschöpften Wahnsinns. Valentine musste aus irgendeinem Grund an Cervantes’ Don Quixote denken.
»Mein Name ist weniger wichtig als das, was ich bin. Ich werde euer Vater sein. Ihr habt alle einen biologischen Vater, der euch das Leben geschenkt hat, und die meisten von euch glauben an einen spirituellen Vater, der euch nach dem Tod bei sich aufnehmen wird. Ich bin hier, um ein dritter Vater zu sein. Ich werde euch die Wiedergeburt schenken.«
Elf Gesichter zeigten, dass sie versuchten, das zu verstehen.
»Ja, ich spreche in Rätseln. Rätsel sind einfach, wenn man die Antwort kennt. Aber ich bin ein beschäftigter Mann und würde mich gern jedem von euch einzeln widmen. Michael Jeremy Wohlers«, sagte der Hexenmeister, der nun vor einem großen, kräftigen Jungen mit lockigem Haar stand. »Ich werde zuerst mit dir sprechen.«
Der angehende Wolf sprang auf und hätte sich beinahe den Kopf an der Decke gestoßen. »Wie haben Sie …«
»Das habe ich nicht«, unterbrach ihn der alte Mann, hielt den Vorhang beiseite und wies mit dem
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