Vampirgeflüster
über den Aktienmarkt vorlesen. »Breandan hat fast alle Portale in die Elfenwelt blockiert. Nur eins ist noch offen. Ob sie es rechtzeitig schaffen, weiß ich nicht.«
»Wenn ich das hier überlebe«, begann Clancy, »werde ich dich bitten, mich von meinem Treueid zu entbinden, Eric, und mir einen anderen Meister suchen. Ich finde allein schon die Vorstellung abstoßend, dass wir zur Rettung einer Menschenfrau den Tod riskieren, egal, welche Verbindung sie zu dir hat.«
»Wenn du stirbst«, erwiderte Eric, »dann stirbst du, weil ich als dein Sheriff dich in den Kampf geschickt habe. Der Grund spielt dabei keine Rolle.«
Clancy nickte. »Ja, Meister.«
»Aber ich werde dich von deinem Treueid entbinden, wenn du überlebst.«
»Danke, Eric.«
Herrje. Hoffentlich waren sie glücklich, nachdem sie das jetzt auch noch geregelt hatten.
Ich konnte nicht hören, was die Vampire hörten. Doch auch ich spürte, dass die Anspannung im Zimmer sich fast unerträglich steigerte, während die Feinde heranrückten. Bill wankte leicht, doch sowohl Eric als auch Clancy sahen ihn voll Vertrauen an.
Und als ich Bill dort jetzt so ruhig stehen und auf den Tod warten sah, ging mir noch einmal blitzartig durch den Kopf, was er mir alles gewesen war: der erste Vampir, den ich je getroffen hatte; der erste Mann, mit dem ich je geschlafen hatte; der erste Verehrer, den ich je geliebt hatte. Alles, was danach geschehen war, hatte diese Erinnerungen getrübt. Doch einen Augenblick lang sah ich ihn wie er war und liebte ihn wieder.
Und dann splitterte die Tür. Ich sah die Schneide einer Axt aufblitzen und hörte andere Elfen den Axtschwinger mit lautem Gejohle anfeuern.
Ich beschloss, nun auch endlich aufzustehen, denn wenn ich schon sterben musste, dann doch lieber auf den Beinen als im Bett. So viel Mut war mir immerhin geblieben. Aber vielleicht übertrug sich, weil ich Erics Blut gehabt hatte, auch nur sein Kampfeswille auf mich. Nichts brachte Eric so sehr in Schwung wie die Aussicht auf einen guten Kampf. Mühsam stellte ich mich hin, und da merkte ich, dass ich wirklich laufen konnte, ein wenig zumindest. An der Wand lehnten hölzerne Krücken. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals welche aus Holz gesehen zu haben, doch in diesem Krankenhaus entsprach eben nichts der Ausrüstung in einem normalen Krankenhaus für Menschen.
Ich hob eine der Krücken an, um zu prüfen, ob ich sie bewegen könnte. Die Antwort lautete: Vermutlich nicht. Die Chance, dass ich damit hinfallen würde, war nicht allzu gering. Doch es war immer noch besser, aktiv zu werden, als passiv zu bleiben. In der anderen Hand hatte ich inzwischen meine Waffen, die ich aus meiner Handtasche gezogen hatte. Und die Krücke würde mich wenigstens aufrecht halten.
All das geschah viel rasanter, als ich es erzählen kann. Die Tür war bereits völlig zersplittert, und Elfen zerrten an dem lose herumhängenden Holz. Schließlich war das Loch groß genug, dass ein großer schlanker Elf mit seidigem Haar durchpasste, in dessen grünen Augen Kampfeslust flackerte. Er hieb mit seinem Schwert auf Eric ein, doch Eric parierte den Angriff, und es gelang ihm, seinem Gegner den Leib aufzuschlitzen. Der Elf ging schreiend in die Knie, und Clancy verpasste ihm noch einen Schlag ins Genick, der ihn auch am Kopf verletzte.
Ich drückte mich mit dem Rücken an die Wand, eine Krücke unter dem Arm und in jeder Hand eine meiner Waffen. Bill und ich standen Seite an Seite, dann aber stellte er sich zwar langsam, aber ganz bewusst vor mich. Bill warf seinen Dolch nach dem nächsten Elf, der in der Tür erschien, und die Spitze drang ihm direkt in den Hals. Und dann ergriff Bill den Handspaten meiner Großmutter.
Die Tür war mittlerweile völlig demoliert. Einen Moment lang schienen die angreifenden Elfen zurückzuweichen. Dann trat ein weiterer Elf durch das zersplitterte Holz und über die Leiche des ersten Elf hinweg. Ich wusste sofort, das es Breandan war. Sein rötliches Haar war in einen Zopf zurückgeflochten, und von seinem Schwert stob ein blutiger Sprühregen, als er es gegen Eric schwang.
Eric war größer, doch Breandan hatte das längere Schwert. Breandan war bereits verwundet, denn sein Hemd war an der einen Seite blutgetränkt. Aus Breandans Schulter sah ich etwas Helles hervorstechen, eine Stricknadel; und da war ich mir sicher, dass das Blut an seinem Schwert Claudines Blut war. Mich packte eine rasende Wut, und diese allein hielt mich wohl aufrecht, denn sonst
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