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Vampirmelodie

Vampirmelodie

Titel: Vampirmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Das war viel zu gefährlich, denn auch Gringos blieben von der Gewalt nicht verschont. Deshalb hielten die meisten Touristen sich auch in den bekannten Urlaubsorten auf, reisten per Flugzeug an und ab und fuhren nie quer durchs Land. Es gab noch einige weitere Exilanten hier in der Gegend, meistens Männer ohne Anhang, die etwas Verzweifeltes … oder Geheimnisvolles an sich hatten. Ihre Gründe, sich einen derart riskanten Ort zum Leben auszusuchen, blieben besser verborgen. Fragen zu stellen konnte sich als sehr ungesund erweisen.
    Einer dieser Exilanten, der erst vor Kurzem eingetroffen war, ließ sich nun in der Nähe des großen Dünnen nieder, in allzu großer Nähe, als dass es reiner Zufall gewesen wäre an einem so wenig besuchten Strand. Der große Dünne sah sich den unwillkommenen Neuen aus dem Augenwinkel heraus an, seine dunkle Sonnenbrille hatte anscheinend optische Gläser. Der Neue war ein Mann Mitte dreißig, weder groß noch klein, weder gut aussehend noch hässlich, weder schmächtig noch muskulös. Körperlich war er Durchschnitt, in jeder Hinsicht. Dieser Durchschnittsmann beobachtete den großen Dünnen schon seit ein paar Tagen, und der große Dünne war sofort davon überzeugt gewesen, dass er sich ihm früher oder später nähern würde.
    Der Durchschnittsmann hatte mit großer Umsicht den optimalen Zeitpunkt abgewartet. Die beiden saßen an einem Strandabschnitt, wo niemand sie hören oder sich ihnen unbemerkt nähern konnte, und trotz all der Satelliten in der Stratosphäre war es doch nicht möglich, dass irgendwer sie hätte sehen können, ohne selbst gesehen zu werden. Der große Dünne wurde größtenteils von seinem Sonnenschirm verdeckt, und er bemerkte, dass sein Besucher in dessen Schatten saß.
    »Was hören Sie sich da an?«, fragte der Durchschnittsmann und zeigte auf die Ohrstöpsel, die der große Dünne in den Ohren hatte.
    Er sprach mit leichtem Akzent; ein Deutscher vielleicht? Jedenfalls ein Mann aus irgendeinem dieser europäischen Länder, dachte der große Dünne, der nicht weitgereist war. Und außerdem hatte der Neue ein bemerkenswert unangenehmes Lächeln. Es wirkte okay, mit den hochgezogenen Mundwinkeln und den entblößten Zähnen, doch irgendwie sah es so aus, als würde ein Tier die Zähne fletschen, kurz bevor es zubeißt.
    »Sind Sie schwul? Kein Interesse«, sagte der große Dünne. »Dafür werden Sie übrigens im Höllenfeuer schmoren.«
    »Ich stehe auf Frauen«, erwiderte der Durchschnittsmann. »Sehr sogar. Manchmal mehr, als sie wünschen.« Sein Lächeln wurde ziemlich animalisch. Und er fragte noch einmal: »Was hören Sie sich da an?«
    Der große Dünne war unschlüssig und blickte seinen Besucher ungehalten an. Doch es war schon einige Tage her, seit er zuletzt mit jemandem gesprochen hatte. Schließlich beschloss er, die Wahrheit zu sagen. »Ich höre mir eine Predigt an.«
    Der Durchschnittsmann zeigte sich nur wenig überrascht. »Wirklich? Eine Predigt? Für einen Geistlichen hätte ich Sie gar nicht gehalten.« Doch sein Lächeln besagte etwas anderes. Der große Dünne begann, sich unwohl zu fühlen. Und an die Pistole in seinem Rucksack zu denken, der nur eine Armlänge entfernt war. Wenigstens hatte er die Riemen offen gelassen, als er ihn abgestellt hatte.
    »Sie irren sich, aber dafür wird Gott Sie nicht strafen«, erwiderte der große Dünne gelassen mit einem nachsichtigen Lächeln. »Ich höre mir eine meiner eigenen altenPredigten an. Eine, mit der ich Unmengen von Menschen Gottes Wahrheit verkündet habe.«
    »Und, hat Ihnen jemand geglaubt?« Der Durchschnittsmann neigte neugierig den Kopf.
    »Viele haben mir geglaubt. Sehr viele. Ich hatte damals eine ziemlich große Gefolgschaft. Doch eine junge Frau namens … Eine junge Frau brachte mich zu Fall. Und sorgte in gewisser Weise auch dafür, dass meine Ehefrau ins Gefängnis kam.«
    »Heißt diese junge Frau vielleicht Sookie Stackhouse?«, fragte der Durchschnittsmann, der nun seine Sonnenbrille abnahm und erstaunlich helle Augen sehen ließ.
    Der große Dünne wandte dem anderen ruckartig den Kopf zu. »Woher wissen Sie das?«, fragte er.
Juni
    Der Teufel nahm gerade mit kritischem Blick Schmalzgebäck zu sich, als der Geschäftsmann an seinen Tisch draußen vor dem Café kam. Dem Teufel fiel Copley Carmichaels energiegeladener Schritt auf. Er wirkte noch sehr viel wohlhabender als zu jener Zeit, da er noch nicht pleite war. Carmichaels Name war dieser Tage wieder häufig im

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