Vampirnacht
Person.
»Willkommen in Elqaneve, Mädchen.« Er klang gehetzt und blickte sich immer wieder nach den Kutschen hinter ihm um.
»Trenyth!« Delilah hatte ihm offenbar verziehen, dass er uns in der Kälte hatte warten lassen. Sie trat vor und umarmte ihn.
Trenyth errötete leicht und erwiderte die Umarmung etwas steif. »Delilah, Segen auf dich und dein Haus.« Er wandte sich Camille zu und streckte die Hände aus. »Und du, verehrte Camille. Wie geht es dir?« Ein besorgter Ausdruck huschte über sein Gesicht. Camille ergriff seine Hände und drückte sie kurz an ihr Herz.
»Bist du …« Er verstummte.
Camille senkte den Kopf. »Es wird eine Weile dauern, aber ich mache Fortschritte. Ich glaube nicht, dass ich je wieder dieselbe sein werde. Nach so einem Erlebnis ist das wohl unmöglich. Aber es hilft mir sehr, dass Hyto tot ist und ich ihn habe sterben sehen.« Ihr Lächeln wurde eisig. Camille war seit ihrer Entführung härter geworden, finsterer in ihrer Art, doch das schien mit den anderen Veränderungen, die sie durchmachte, ganz gut zusammenzupassen.
»Camille hat recht«, sagte ich leise. »Was sie bei Hyto durchgemacht hat … was
ich
bei Dredge durchgemacht habe … ein solches Trauma verändert einen unwiderruflich. Aber das bedeutet nicht, dass man nie wieder glücklich sein kann und stärker als zuvor.« Das Leben hatte so eine Art, einen zu zwingen, entweder selbst das Heft in die Hand zu nehmen oder zu kuschen, und kuschen kam weder für meine Schwestern noch für mich in Frage.
Trenyth nickte. »Und ihr beiden habt mit eurer Entwicklung alles, was man unter solchen Umständen von irgendjemandem erwarten könnte, bei weitem übertroffen. Und nun kommt. Wir haben viel zu besprechen – Ereignisse, von denen ihr erfahren müsst. Und obwohl der Frühling naht, sind die Nächte noch kalt. Die Kutschen warten schon auf uns.«
Die gepflasterten Straßen von Elqaneve wanden sich zwischen wunderschönen Gärten und niedrigen Häusern hindurch. In den Fenstern schimmerte sanfter Lampenschein. Die Stadt war elegant und behaglich zugleich, und ich wusste ihre Schönheit zu würdigen, aber für mich war sie irgendwie zu sanft. Na ja,
sanft
war vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Elfen waren nicht sanft – sie konnten gefährlich und schreckenerregend sein, wenn ihr Zorn einmal geweckt war. Nein, vielleicht war
dezent
eher das passende Wort.
Das Volk der Elfen war nicht gerade als unverblümt und direkt bekannt, aber genau das war meine Persönlichkeit. Ich war nicht immer so gewesen –
nur keine Gnade; friss, Vogel, oder stirb!
In jüngeren Jahren war ich eine stille Einzelgängerin gewesen, und erst seit den letzten zwölf oder dreizehn Erdwelt-Jahren konnte ich richtig zur Furie werden.
Nach meiner Verwandlung hatte ich gelernt, mehr aus mir herauszugehen … nachdem ich es erst mal geschafft hatte, wirklich zu mir zu kommen. Das erste Jahr lang war ich nur sporadisch bei klarem Verstand gewesen – an diese Zeit konnte ich mich kaum erinnern. Der Anderwelt-Nachrichtendienst hatte eine Menge Geduld und Training aufbieten müssen, um mir wieder beizubringen, wie ich am Leben der normalen Gesellschaft teilhaben konnte, statt zu dem Monster zu werden, das Dredge aus mir hatte machen wollen.
Ich warf einen Blick zu Camille hinüber. Sie schien in Gedanken versunken und schaute aus dem Fenster, den Kopf an die Wand der Karosserie gelehnt. Trillian saß neben ihr, hielt ihre Hand und streichelte sie leicht mit dem Daumen. Seine onyxschwarze Haut schimmerte vor ihrer blass cremefarbenen, und einen Moment lang glaubte ich, einen silbernen Wirbel von seinen Fingern zu ihren springen zu sehen.
Chase saß neben mir, und auch er starrte schweigend zum Fenster hinaus. Delilah, Shade, Rozurial und Vanzir fuhren mit Trenyth in der Kutsche hinter uns.
»He, bist du noch ganz da?«, fragte ich leise, doch Camilles Blick huschte sofort zu mir herüber, und sie nickte.
»Ja, alles in Ordnung. Ich frage mich nur, warum Königin Asteria uns wohl gerufen hat.«
Sie log. Ich wusste es genau. Wahrscheinlich dachte sie eher an unseren Vater. Es war schwer, nicht an ihn zu denken, wenn wir zu Hause in der Anderwelt waren. Er hatte sie enterbt und verstoßen, woraufhin wir uns ebenfalls von ihm losgesagt hatten. Das Ganze war eine furchtbar verworrene Schweinerei, und sein Mangel an Sensibilität machte es nicht besser. Inzwischen hätten wir gute Studiogäste für eine Anderwelt-Version der
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