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Vampirnacht

Vampirnacht

Titel: Vampirnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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Alabaster vor uns auf. Seine schlichten, eleganten Linien passten zur Symmetrie der ganzen Stadt. Der Herrschersitz war von vielen Gärten umgeben und von Sauberkeit, Ruhe und Gemessenheit geprägt. Ganz anders als in Y’Elestrial, unserem Heimat-Stadtstaat, dessen Hof ein Hort der Dekadenz und Ausschweifung war.
    Die Sackgasse endete vor dem Palasteingang, und als wir Trenyth nacheilten, seufzte Camille glücklich.
    »Was ist?«
    Sie faltete die Hände unter dem Kinn und wirbelte herum, so dass ihr Rock in der Brise flatterte. Sie starrte an einem hohen Baum empor. Zwischen winzigen, sternförmigen weißen Blüten erschien der erste grüne Hauch von Blättern an den Ästen.
    »Der Duft dieses Untahsterns … wir sind wahrhaftig zu Hause.« Ihre Stimme klang ein wenig erstickt, und sie blickte immer noch in den von Ranken bedeckten Baum empor, der nur im Norden der Anderwelt wuchs. Ich konnte ihr den inneren Konflikt ansehen. Sie liebte die Erdwelt, aber dies war ihre Heimat. Seit Vater sie aus Y’Elestrial verbannt hatte, war ihre Sehnsucht eher gewachsen.
    Delilah folgte ihrem Blick und lächelte sanft. »Riecht nach Kindheit, nicht?«
    Vor dem Haus unseres Vaters – dem Zuhause, in dem wir aufgewachsen waren – standen zwei Untahstern-Bäume. Ihre Zweige hatten sich miteinander verschlungen, und Mutter hatte oft im Scherz gesagt, die Bäume erinnerten sie an ihre Ehe. Zwei Bäume, links und rechts des Weges, die sich über diese Kluft hinweg gefunden hatten.
    Ich gestattete mir einen tiefen Atemzug. Ich brauchte nicht mehr zu atmen und hatte es mir inzwischen abgewöhnt, aber wenn ich etwas riechen wollte, konnte ich meine Lunge dazu bringen, Luft einzusaugen und festzuhalten, um die Gerüche zu erhaschen, die sie mit sich trug.
    Der würzige Blütenduft versetzte mich durch die Jahre zurück in längst vergangene Zeiten und Träume, die zu meinem früheren Leben gehörten – dem Leben, das ich niemals wiederhaben konnte. Verstört schüttelte ich diese Gedanken ab, denn ich wollte mich nicht in Erinnerungen verlieren. Sie waren gefährlich für mich, selbst jetzt noch.
    Trenyth bedeutete uns, dass wir uns beeilen sollten. Wir folgten ihm in den Alabasterpalast und ließen alte Träume und Leben hinter uns.
     
    Asteria, die uralte Königin der Elfen, trug die Spuren des Alters deutlich im Gesicht – was bedeutete, dass sie vermutlich älter war als sonst irgendjemand, der uns je begegnet war, mit Ausnahme der Drachen oder der Ewigen Alten.
    Sie war schon vor der Großen Spaltung Königin gewesen. Damals hatten die großen Feenherrscher die Welten voneinander getrennt und die Anderwelt mit Gewalt von der Erdwelt abgerückt. Asteria war schon alt gewesen, als Titania und Aeval als junge Königinnen ihren Thron bestiegen hatten. Sie betrat flott den Thronsaal, ging jedoch an ihrem Thron aus Eiche und Stechpalme vorbei und weiter zu einem marmornen Tisch. Wir warteten ab, bis sie uns mit einem ungeduldigen Blick und einer Geste zu verstehen gab, dass wir herüberkommen sollten.
    Trenyth war sehr ernst geworden. Es war klar, dass wir nicht auf ein nettes Abendessen oder eine Runde Monopoly hier waren. Irgendetwas Schlimmes war passiert, und die Folgen waren im ganzen Thronsaal zu spüren.
    Camille warf mir einen verhaltenen Blick zu. Sie schüttelte den Kopf und formte mit den Lippen das Wort
schlimm.
    Delilah schob eine Hand in Shades, während die beiden sich umsahen. Trillian, Vanzir und Rozurial rückten näher zusammen. Sogar Chase wirkte beunruhigt. Mich machte die Anspannung hier drin so nervös, dass meine Fangzähne unwillkürlich ausfuhren, als müsste ich mich verteidigen – so plötzlich, dass sie mir in die Unterlippe stachen.
    Camille knickste, wir übrigen verneigten uns. »Euer Hoheit, wir sind aufgebrochen, sobald wir Eure Nachricht erhielten. Irgendetwas Schlimmes ist geschehen, nicht wahr?«
    Asteria musterte uns, einen nach dem anderen. Die Anspannung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Selbst unter den übelsten Umständen hatte ich die Königin noch nie so gestresst gesehen.
    »Setzt euch. Wir haben viel zu besprechen und wenig Zeit.«
    Während wir uns auf den Stühlen um den Marmortisch niederließen, winkte Trenyth eine Wache herbei. Der Elf hatte in der Nähe bereitgestanden, mit einer großen Schriftrolle in der Hand. Er brachte sie zum Tisch und rollte sie darauf aus. Die Karte der Anderwelt nahm den gesamten Tisch ein, und wir hielten sie an den Rändern fest. Trenyth griff

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