Vampirwelt
meine Beine müde geworden waren. Hunger und Durst verspürte ich keinen. Aber ich wollte mich setzen. Möglichst an einem zentralen Punkt, von dem aus ich den Totenacker unter Kontrolle halten konnte und jede Bewegung entdeckte, wenn sie aufkam.
Ein kantiger Grabstein, der schief aus der weichen Erde schaute, bot mir den nötigen Platz.
Ich setzte mich darauf.
Genau in dieser Sekunde passierte es.
Vor mir gab die Erde nach. Ich hatte meine Füße auf den Boden gestemmt, der Halt war plötzlich nicht mehr da, ich rutschte nach vorn und riß noch beide Arme hoch.
Auch sie verschwanden in der stockdunklen Tiefe!
***
Ich hatte schreckliche Angst, irgendwo tief unter mir auf dem Boden zu landen und als Krüppel liegenzubleiben. Diese Furcht war kaum meßbar, ebenso die Zeit, in der ich sie spürte.
Ich wußte nicht einmal, ob in diesem Augenblick mein Herz aufhörte zu schlagen, aber ich hatte Glück im Unglück. Der Schacht war zwar tief, aber nicht weit in die Erde hineingebaut, als daß ich mir hätte die Knochen brechen können.
Dennoch prallte ich hart auf. Für einen Ungeübten wäre auch dies gefährlich gewesen, ich aber nutzte den Schwung und warf mich nach vorn. Sofort rollte ich mich wieder ab und stellte fest, daß ich mir weder etwas verstaucht noch geprellt hatte.
Staub war in die Höhe gewirbelt worden. Er überfiel mich als Wolke und blieb auf meiner schweißfeuchten Haut kleben. Mit dem Rücken war ich gegen ein Hindernis geschrammt, blieb zunächst einmal liegen und atmete tief durch.
Dann schaute ich in die Höhe.
Die Öffnung war gut zu erkennen. Als grauer Schatten zeichnete sie sich ab. Mehr sah ich nicht, und ich merkte, wie die harte Spannung allmählich wich.
Obwohl in der Dunkelheit Entfernungen schlecht zu schätzen sind, wußte ich genau, daß die Öffnung zu weit von mir entfernt lag. Ich würde ihren Rand auch durch kräftige Sprünge nicht erreichen können.
Mallmann hatte mir einiges erklärt. Ich hätte wissen müssen, wie gefährlich das Gelände des Friedhofs war.
Ich schaute auch weiterhin nach oben, denn ich war von einem Geräusch alarmiert worden.
Dort bewegte sich jemand.
Schritte?
Wenn ja, dann kamen sie näher, und sehr bald entdeckte ich die Bewegung am Rand des Lochs.
Ein Gesicht erschien, Schultern, ich sah lange Haare und hörte das widerliche Lachen, das mir ausgerechnet Assunga, die Vampirhexe, entgegenschickte.
Mein Blut gefror nicht, aber für die Dauer einiger Sekunden war ich doch wie erstarrt. An sie hatte ich in der letzten Zeit nicht mehr gedacht.
Geschickt hatte sie sich zurückgehalten, und ihr Lachen verstummte plötzlich.
Das entstehende Schweigen war wie eine Last, die sich auf mich niederlegte. Mein Körper zog sich zusammen. Ich tastete nach meiner Waffe und wußte gleich, daß es sinnlos war. Assunga sah meine Bewegungen, sie brauchte sich nur zurückzuziehen.
»Laß es sein, Sinclair. Du solltest besser daran denken, was Will Mallmann dir gesagt hat.«
»Ach ja?«
»Es ist dein Schicksal, diese Welt. Sie wird dich fertigmachen. Du wirst in ihr nichts finden, was dir als Mensch gefallen könnte. Keine Nahrung, kein Wasser, kein gar nichts, was deine Kräfte erhalten könnte. In diesem Loch bist du gefangen, wir werden auf dich warten Sinclair. Wir haben Zeit, viel Zeit, und wir werden dann zuschlagen, wenn du nicht mal einen Arm heben kannst. Es ist die Welt des Todes, in der du als Mensch existieren kannst. Mit jedem Atemzug allerdings wird sie mehr in dich eindringen und dich schwächer machen. Es ist eben das andere, das hier die Oberhand behält. Du wirst viel schneller dahinvegetieren, als es dir lieb sein kann. Für dich gibt es kein Zurück mehr. Noch einmal, Sinclair: Wenn es dann soweit ist, werden wir erscheinen, und dein Blut wird uns beiden schmecken.«
Ich holte tief Luft. Ich brauchte Energie für meine Antwort. »Hau ab!« brüllte ich. »Verdammt noch mal, hau ab…«
Assunga lachte.
Sie zog sich tatsächlich zurück und ließ mich allein. So verdammt allein…
***
Suko und Barry F. waren in Brachts Wohnung gegangen, um dort alles vorzubereiten.
Der Inspektor hatte einen sehr nachdenklichen Menschen erlebt, aber auch einen nervösen, der immer wieder durch sein dichtes braunes Haar strich, den Kopf schüttelte, sich hinsetzte, wieder aufstand und unruhige Wanderungen durch die Räume unternahm.
Suko hatte Mühe, sich von dieser Nervosität nicht anstecken zu lassen.
Er beobachtete nur, wobei Barry F. Bracht ihm
Weitere Kostenlose Bücher