Vampirzorn
drückte.
»Wie lange bin ich schon hier?«, wollte er wissen, indem er den Arzt und die beiden Schwestern anblickte, die an seinem Bett standen. Auf ihren besorgten Gesichtern erschien ein Lächeln.
»Drei Tage«, erklärte der Schweizer Arzt ihm in ausgezeichnetem Englisch. »Und Sie müssen noch weitere vier Tage hier bleiben, ehe Sie wieder aufstehen dürfen. Unterkühlung, nehmen wir an. Sie scheinen zwar eine recht gute Konstitution zu haben, aber Sie sind doch ganz schön geschwächt. Aber jetzt dürfte es wieder bergauf gehen. Allerdings ...«
Harry blickte ihn fragend an. »Ja?«
»Oh, wir würden da gern noch einiges wissen. Sie trugen keinerlei Ausweispapiere bei sich. Wir haben keine Ahnung, wer Sie sind oder in welchem Hotel Sie wohnen. Wahrscheinlich macht man sich bereits Sorgen um Sie. Sie sind doch Tourist, nicht wahr? Vielleicht könnten Sie uns bei der Beantwortung dieser Fragen behilflich sein?«
Nein, konnte er nicht. Aber das musste ja auch nicht unbedingt sein. »Müde«, murmelte Harry, indem er sich zurück in die Kissen sinken ließ. »Können wir nicht später darüber reden?«
»Selbstverständlich!« Damit bedeutete der Arzt den Schwestern, das Zimmer zu verlassen. In der Tür wandte er sich noch einmal um. »Ich schaue nachher noch einmal bei Ihnen vorbei, Mister ...?«
»Smith«, sagte Harry. »John Smith.«
»Smith«, sagte der Doktor lächelnd. »Ja, ein guter, alter englischer Name. Ruhen Sie sich jetzt aus, und nachher essen Sie etwas, und dann können wir miteinander reden.«
Doch kaum war er gegangen ...
... raffte der Necroscope seine Kleider aus dem Schrank neben dem Fenster zusammen. Und nachdem er sicher war, dass er nichts vergessen hatte ... verschwand er ebenfalls.
DRITTES KAPITEL
NOSTRADAMUS
Die Toten in ihren Gräbern unterhielten sich über Meilen hinweg, so, wie er es sie gelehrt hatte, über – den Necroscopen.
Wie ist es ausgegangen? Harrys Mutter hatte noch immer Angst um ihren Sohn.
Genauso, wie ich es erwartete, erwiderte Franz Anton Mesmer, vielleicht sogar besser. Einerseits, womöglich im Wesentlichen, machten Sie sich Sorgen, weil diese Frau ihn so sehr in ihrer Gewalt hat?
Ja? Ihre Besorgnis war offensichtlich.
Nun, damit ist es jetzt vorbei, sagte Mesmer. Vorsichtig fügte er hinzu: Nehme ich jedenfalls an.
Sir Keenan Gormley war nicht mehr in der Lage, seine Aufregung unter Kontrolle zu halten: Soll das etwa heißen, Sie haben ihren Bann gebrochen?
Einen zumindest, erwiderte Mesmer. Ich glaube nicht, dass ich qualifiziert bin, den anderen zu brechen – das heißt, von Rechts wegen geht er mich rein beruflich nichts an. Da können weder Ärzte noch Freunde, und auch keine Mutter, etwas tun. Das bleibt Harry selbst überlassen. Der Wille des Patienten ist schließlich immer noch der wichtigste Faktor. Harry brauchte jemanden, der ihm half, wieder zu sich selbst zu finden. Und was seine Liebe zu B. J. Mirlu angeht – ob es nun angebracht ist, diese Frau zu lieben oder nicht –, muss letztlich er entscheiden. Hätte ich die posthypnotischen Befehle, die er akzeptiert hat, etwa schwächen sollen, indem ich ihm andere einpflanze, die er unmöglich akzeptieren kann? Ich glaube nicht. Und er liebt sie wirklich.
Und was haben Sie dann überhaupt getan? , wollte Mary Keogh, noch immer voller Angst um ihren Sohn, wissen.
Ich bin auf zwei Läsionen beziehungsweise Blockaden im Unterbewusstsein des Necroscopen gestoßen, antwortete Mesmer. Zwei Bereiche, in denen sein Wille durch äußere Einflussnahme – sei es nun Hypnose oder Betörung – untergraben wurde. Aber im Gegensatz zu mir waren diejenigen, die ihm das angetan haben, vollkommen skrupellos und verfügten über eine unglaubliche Macht! Es sind großartige Hypnotiseure, alle beide. Und, ja, das Werk der einen erkannte ich auf Anhieb.
B. J., sagte Mary Keogh bitter.
Natürlich. Dieselbe junge Frau, der auch ich mich einst geschlagen geben musste. Ah, aber diesmal ist die Situation umgekehrt! Ihr Sohn wurde so oft in Trance versetzt und wieder daraus geweckt, dass die Verbindung so gut wie am Ende ist. Und, ja, Sie hatten völlig recht: Die Wahrheit hätte ihn, wären seine unterschiedlichen Bewusstseinsebenen abrupt miteinander verschmolzen, durchaus um den Verstand bringen können. Ja, ich habe ein solches Aufeinandertreffen sogar miterlebt. Doch zum Glück war ich zur Stelle und stand in geistigem Kontakt mit ihm, sodass ich einen Teil der Belastung abfangen konnte. Aber gerade weil
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