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Vampirzorn

Vampirzorn

Titel: Vampirzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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gesprochen hatte. Ein Irrtum war ausgeschlossen, die zahllosen Toten redeten über ihn. Und da er sich in der Nähe seiner Mutter (und ihrer ach so vertrauten Stimme) befand, vermochte er vor dem atmosphärischen Hintergrund-»Rauschen«, bei dem es sich, wie er allein wusste, um das Gemurmel von Millionen toter Stimmen, um die privaten Unterhaltungen der Großen Mehrheit handelte, auch die Stimmen der anderen auszumachen, die mit ihr sprachen.
    Diesmal allerdings war das Rauschen weit weniger ausgeprägt als sonst, und Harry wusste auch, warum: Über einen großen Landstrich hinweg hatten die Toten aufgehört, miteinander zu reden, und lauschten demselben Gespräch wie er. Schon allein deshalb war ihm klar, dass es wohl von einiger Bedeutung für sie sein musste. Doch er musste aufpassen und durfte – obwohl er ja Gegenstand des Gesprächs war, vielleicht auch gerade deshalb – nur heimlich zuhören; andernfalls würden sie seine Gegenwart spüren und ihn ausschließen.
    Glauben Sie etwa, ich will ihm nicht helfen? Glauben Sie, ich möchte nicht, dass Sie ihm helfen? Seiner Mutter war ihre Niedergeschlagenheit deutlich anzuhören. Können Sie sich irgendetwas vorstellen, was ich nicht für ihn tun würde? Nennen Sie mir irgendetwas, was ich nicht bereits getan habe!
    Darauf wusste Gormley nichts zu entgegnen, denn einst war sie für ihren Sohn sogar aus dem Fluss gestiegen.
    Aber ...
    Kein Aber, Keenan Gormley! Ich habe ihm das Leben geschenkt, ist Ihnen das klar? Während Sie und Ihre Leute es ihm nahmen! Immerhin war es doch der Auftrag, den er für Sie erledigte, der ihn umgebracht hat!
    Das ist nicht fair, sagte eine weitere Stimme, als Gormley nichts darauf erwiderte; und auch diese Stimme war dem Necroscopen nicht unbekannt. Es handelte sich um seinen einstigen Sportlehrer, Graham »Sergeant« Lane, der sich aus seinem Grab auf dem Friedhof von Harden meldete. Gut, Harry ist dein Sohn, Mary Keogh – aber er gehörte dir nur für ein paar kurze Jahre. Ich dagegen, ich sah ihn aufwachsen. Ich erkannte, was in ihm steckte, und wusste, dass er etwas Besonderes war. Er ist eine Kämpfernatur! Das weiß ich, denn es war mir vergönnt, mit ihm und durch ihn zu kämpfen. Wir alle wissen es, darum können wir es nicht ertragen, mit ansehen zu müssen, wie er jetzt vor die Hunde geht.
    Und es ist auch in anderer Hinsicht unfair, warf Sir Keenan zu guter Letzt ein. Zugegeben, wegen seiner Arbeit für das E-Dezernat geriet er in Schwierigkeiten. Aber er wusste, worauf er sich einließ. Außerdem dürfen Sie eines nie vergessen: Hätte Harry beim E-Dezernat nicht alles über das Möbius-Kontinuum erfahren, wäre es, als er starb, ein für alle Mal aus mit ihm gewesen. Dann wäre seine Seelenwanderung nicht möglich gewesen! Dann würden wir jetzt nicht über ihn sprechen, sondern mit ihm – und zwar als einem der Unseren! Er starb, Mary, gewiss, aber jetzt ist er wieder am Leben. Und so soll es doch auch bleiben!
    Harrys Mutter ließ ihn ausreden, doch ihr ging immer noch durch den Kopf, was der Sergeant gesagt hatte. Wie er vor die Hunde geht? Ihr Flüstern war womöglich noch leiser geworden. Was wollen Sie damit sagen? Soll das etwa heißen, er wird sterben und hier bei uns landen? Was, sollen wir denn alles, was die ganzen mit Talenten begabten Leute uns gesagt haben, in den Wind schlagen? Sie hob ihre Totenstimme, damit jeder sie hören konnte. Was ist mit unseren Hellsehern, Keenan Gormley, die vorhersagen, dass es meinem Sohn bestimmt sei weiterzumachen? Und an den Sergeant gewandt: Und was fällt dir überhaupt ein zu behaupten, du würdest meinen Sohn besser kennen als ich? Er ist mein Fleisch und Blut! Sogar wenn er schweigt – selbst wenn er sich vollkommen vor mir verschließt –, weiß ich immer noch ganz genau, was in ihm vorgeht!
    Aber das geht uns doch allen so, Mary. (Das war wieder Gormley, allerdings sanfter nun, denn er merkte, dass sie Angst hatte.)
    Nein, Harry spürte das körperlose Kopfschütteln seiner Mutter und ihr gesichtloses, schon fast vergessenes, unerschütterliches Lächeln, ganz und gar nicht. Ich meine ... was er tief im Innersten fühlt . Ich weiß, was ihn bewegt, was ihm wehtut und Kummer bereitet. Ich kenne ihn wie ... wie eine Mutter! Wer hätte es besser ausdrücken können?
    Und wir kennen ihn als das Licht, das uns das Dunkel erhellt, hielt ihr der Sergeant entgegen, rau wie ein ungeschliffener Diamant. Und das werden wir uns nicht ausblasen lassen! Von mindestens einem

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