Vampirzorn

er, noch nicht einmal wir (und ich danke Gott dafür, dass sie nicht unter uns weilen) sie finden können! Bei seiner Suche nach ihnen stieß mein Sohn auf Vampire – doch er kann es sich nicht eingestehen, geschweige denn etwas dagegen unternehmen, es sei denn, B. J. ließe es zu. Sie hat ihn völlig ... hypnotisiert! Aber ich vermute, dass darüber hinaus noch etwas anderes mit ihm ist, was er gar nicht begreift, und ich auch nicht. Irgendetwas lähmt seine Talente und hält ihn davon ab, das Möbius-Kontinuum zu benutzen, und es geht sogar so weit, dass er keine Lust mehr hat, mit ... mit seiner eigenen Mutter zu reden! Und nun sagt mir: Glaubt ihr nicht, dass Harry schon genügend Probleme hat?
    Sie verstummte, und eine Zeit lang spürte die Große Mehrheit ihren Kummer und ihre Traurigkeit ...
    Was wollen Sie uns damit sagen, Mary? , fragte Keenan Gormley sie schließlich.
    Was ich damit sagen will? Liegt das denn nicht auf der Hand? Mein Sohn befindet sich am Rand des Wahnsinns! Ihm die Wahrheit zu sagen, wäre der letzte Schubs, den er braucht, um völlig überzuschnappen. Würde er die Wahrheit akzeptieren oder die Augen davor verschließen? Würde er sich seine Selbsttäuschung eingestehen und versuchen, es wieder geradezubiegen – oder sich ganz in seinen Wahn flüchten? Die Frage ist schlicht und einfach, wie viel er verkraften kann! Seinem Geist wurde schon einiges abverlangt, und nun ...?
    Darum dürfen wir es ihm nicht sagen, weil wir nicht alle Antworten kennen. Auch wenn ihr das anscheinend nicht begreifen könnt, diese B. J. weiß es nur zu gut. Und sie hält ihn an einer ganz kurzen Leine. Sie braucht ihn bei Verstand, um ihre Ziele zu erreichen, und auch für sich selbst! Es gefällt mir nicht, und ich hasse es, dies zuzugeben, aber vielleicht ist sie sogar seine Rettung. Dieses ... Wesen gibt ihm Halt, und solange er sich in ihrer Gewalt befindet, hält sie ihn bei Verstand. Darum dürfen wir – vorerst zumindest – nichts unternehmen ...
    Alles schwieg und dachte über das Gesagte nach, bis schließlich der Sergeant das Schweigen brach: Du meinst, wir sollen nichts tun? Ihm war deutlich anzuhören, dass ihm dieser Gedanke nicht gefiel.
    Doch da meldete sich eine weitere Totenstimme zu Wort: Na ja, vielleicht nicht unbedingt nichts! Auch diese Stimme war dem träumenden Harry nicht unbekannt. Es handelte sich um R. L. Stevenson Jamieson, der dem Necroscopen einiges zu verdanken hatte. In London hatten sie gemeinsam einen Job erledigt. R. L. Stevensons Bruder war der Lykanthrop gewesen ( kein Werwolf, bloß ein ziemlich durchgeknallter Irrer), den Harry damals mit seinem Team zur Strecke gebracht hatte, wobei er Bonnie Jean Mirlu begegnet war. Dass die Große Mehrheit R. L. akzeptierte und sowohl ihm als auch seinem Namen mit Respekt begegnete, verdankte er im Wesentlichen Harry, und dies hatte er nicht vergessen.
    Was meinst du damit, R. L.? , wollte Sir Keenan wissen. Gibt es einen Weg, Harry irgendwie zu helfen, ohne seinen Geisteszustand zu gefährden?
    Na ja, ich kann ihm helfen! , kam prompt die Antwort. Seht ihr, ich habe mein Obi. Ihr sagt Obeah dazu. Es liegt mir im Blut, ich habe es von meinem Paps geerbt. Aber hier unten kann ich eigentlich nicht viel damit anfangen, höchstens noch meinen Bruder Arthur Conan in Schach halten. Nicht, dass A. C. große Schwierigkeiten bereiten würde, jedenfalls nicht mehr. Aber ihr müsst wissen, dass mein Obi von der guten Sorte ist, wie das von Paps vor mir: Weiße Magie würdet ihr es wohl nennen. Seht ihr, Paps hätte nie jemandem etwas zuleide getan. Er gab sich mit seinen Zaubersprüchen und Liebestränken zufrieden, drüben in Haiti, wo ich aufgewachsen bin, und hat nie mit Gift oder Toten ... äh, Entschuldigung, ich meine: Zombies ... herumexperimentiert. Paps betrieb eher Schutzzauber, yeah! Und auf diesem Gebiet hatte er, nun ja, ’n bisschen mehr als das normale Zeugs zu bieten.
    Zum Teufel, damit hätte er ganz groß rauskommen können! Auf Haiti stehen und fallen ganze Regierungen mit den Sachen, die mein Paps machte! Yeah, er hatte die Macht, in den Geist seiner Gegner zu blicken; darum wusste er immer im Voraus, was sie vorhatten. Und ich, ich habe diese Fähigkeit auch, jetzt allerdings, wo ich tot bin, nicht mehr so stark. Wenn man sein Obi brachliegen lässt, verliert es nämlich seine Kraft. Es wächst, je mehr man es einsetzt, und schrumpft, wenn man das nicht tut. Und hier unten bei euch Toten, na ja, da habe ich nicht allzu