Vampyr
finden. Daeron dachte, ich sei in Gefahr! Er war immer so besorgt um mich. Dieser Narr!« Martáinn lachte verächtlich. »In Wahrheit habe ich die Zeit genutzt, um mich auf den Kampf gegen Roderick vorzubereiten. Die Rituale waren langwierig und schmerzhaft. Nacht für Nacht verband sich das Amulett mit meinem Fleisch, labte sich an meinem Blut und erfüllte mich im Gegenzug mit seiner Kraft. Doch schon bald werde ich es nicht länger benötigen!«
Überdeutlich verspürte Catherine den Druck des Amuletts in ihrem Rücken. »Ich verstehe das nicht«, presste sie hervor. »Wozu das alles?«
»Wozu?« Die Sanftheit war aus Martáinns Stimme gewichen. Er strahlte jetzt eine Kälte aus, die sie innerlich erstarren ließ. »Ist dir nie aufgefallen, wie klein und unbedeutend das Glen Beag ist? Tavian MacKay mag mit diesem lächerlichen Stück Land zufrieden gewesen sein, das sein Vater ihm einst anvertraute. Doch sieh dich um, Catherine. Das Tal ist so abgelegen, dass nicht einmal die Rotröcke es für nötig halten, hierher zu kommen! Wir sind nicht von Bedeutung! Für niemanden. Vater hat versucht politischen Einfluss zu nehmen, doch niemand nahm ihn ernst. Schottland hat uns vergessen! Mit der Macht, die die Ushana uns in die Hände legte, wird es mir gelingen, etwas Bedeutendes zu schaffen! Schon bald werden alle hier sein wie ich. Eine neue, überlegene Form der Existenz! Dann wird uns niemand mehr ignorieren können!«
»Du bist wahnsinnig!«, stieß sie hervor und stemmte sich erneut gegen seinen Griff.
»Es hat keinen Sinn, sich länger zu wehren.« Martáinns Stimme bebte vor Erwartung. Die Erregung angesichts dessen, was vor ihm lag, war offenbar stärker als jedes Gefühl, das er je für sie gehabt haben mochte. Er riss sie herum, bis sie mit dem Rücken gegen den Altarstein stieß. Einen Atemzug später ruhte der Dolch erneut an ihrer Kehle.
Catherine bemühte sich die Klinge zu ignorieren, die kühl auf ihrer Haut lag. »Du hast gesehen, wie ich dein Blut getrunken habe! Was hast du dabei empfunden?« Ihre Augen fingen seinen Blick und hielten ihn fest. »Wie war es für dich, zu sehen, was die Blutgier aus mir gemacht hat? Ist es das, was du willst? Ewiges Leben auf Kosten der Menschen, die dir etwas bedeuten? Menschen, die du liebst!« Der Gedanke an all die Jahre der Freundschaft schnürte ihr die Kehle zu. »Daeron hat so viel für dich getan. Hat dir das alles nichts bedeutet? Kannst du wirklich mit ansehen, wie er verblutet? Bitte, Martáinn! Es ist noch nicht zu spät. Du kannst noch immer zurück. Wir sind für dich da, wenn du –«
Ein Schatten huschte über Martáinns Züge. Ein kurzer Moment, in dem Catherine das Gefühl hatte, zu ihm durchzudringen. Dann verstärkte er seinen Griff. »Du hast mein Wort, dass es schnell gehen wird. Zumindest das kann ich noch für dich tun.«
Was machte das noch für einen Unterschied? Sie hatte binnen einer Nacht alles verloren, was ihr wichtig war. Ohne das Wissen um Martáinns Vorhaben hätte sie sich womöglich bereitwillig in ihr Schicksal gefügt. So jedoch gab es zumindest noch einen Teil in ihr, der verhindern wollte, dass Martáinn seine Pläne in die Tat umsetzen konnte. Aber was sollte sie jetzt noch gegen ihn ausrichten?
»Martáinn, sieh mich an!«, verlangte sie. Ihre Stimme zitterte. »Du hast gesehen, was Vater aus mir gemacht hat. Ich habe dein Blut getrunken! Das Blut meines besten Freundes! Ist es das, wozu du werden willst? Zu einer Kreatur, der es in ihrer Gier gleichgültig ist, wem sie damit schadet?«
»Denkst du etwa, ich hätte mich nicht unter Kontrolle?«, entgegnet er. »Nur weil du dich nicht zügeln kannst, bedeutet das noch lange nicht, dass es mir ebenso ergeht! Ich kann mich beherrschen!«
»Wenn du den Durst erst verspürst, wirst du einen Punkt erreichen, an dem es dich nicht mehr gibt. Dann gibt es nur noch die Kreatur! Martáinn –«
»Du bist wie dein Vater!«, fuhr er sie an. »Warum hältst du so an der alten Ordnung der Dinge fest? Hat dich diese Welt so glücklich gemacht? Es ist Zeit für eine Veränderung!«
»Was du Veränderung nennst, ist Teufelswerk!«
Martáinn lachte. Ein bitterer Laut, der geradewegs aus den Tiefen seiner Seele aufzusteigen schien. »Und wie würdest du das bezeichnen, was Roderick getan hat? Er hat dich gezwungen mein Blut zu trinken.«
Darauf wusste sie nichts zu erwidern. In dem Bestreben, Unheil vom Glen Beag fernzuhalten, war ihrem Vater jedes Mittel recht gewesen. Dafür war
Weitere Kostenlose Bücher