Vampyr
Dinge, die dich ausmachen! Du bist nicht die Kreatur, zu der er dich –«
»Schweigt!«, herrschte Bayne ihn an.
Daeron ließ sich nicht ablenken. »Lass nicht zu, dass er dir deine Menschlichkeit raubt. Er will dich zu seinem Werkzeug machen. Du bist stark! Wehr dich!«
Ihre Züge veränderten sich, der schrecklich leblose Ausdruck fiel von ihr ab und offenbarte ihre Menschlichkeit. Der strahlende Grauton kehrte in ihre Augen zurück, die sich auf Martáinn richteten. Ein erstickter Schrei kroch ihre Kehle empor. Entsetzt wich sie einen Schritt zurück.
Daeron betrachtete Martáinn prüfend. Er war bei Bewusstsein und schien unversehrt. Zumindest am Hals. Woher die Verletzung an seiner Brust stammte, konnte er nicht erkennen. Dunkelrot wie ein Bluterguss zeichnete sich dort eine kreisrunde Schwellung ab, deren Ursprung sich Daeron nicht erklären konnte. Womöglich hat er gegen Bayne gekämpft. Er wandte sich wieder Catherine zu. Das Grauen in ihren Zügen war von solchem Ausmaß, dass er einen Schritt auf sie zu tat.
»Bleibt, wo Ihr seid, ap Fealan!«, donnerte Bayne.
Daeron bereitete sich darauf vor, angegriffen zu werden, doch statt ihn zu attackieren, schob Bayne sich an Catherine heran. Seine Klauen schlossen sich um ihren Nacken. »Noch ein Schritt und ich breche ihr das Genick!«
Daeron hielt inne. Seine Hand glitt in die Manteltasche und schloss sich um eines der Weihwasserfläschchen, die andere legte er auf den Schwertgriff. Wenn er stirbt, ist Catherine frei. »Versteckt Euch nicht feige hinter einem Weiberrock, Bayne!«, forderte Daeron. »Stellt Euch im offenen Kampf!«
Roderick Bayne verzog verächtlich das Gesicht. »Ihr seid kein Gegner für mich.« Er verstärkte seinen Griff um Catherines Genick und drehte ihren Kopf zu sich herum, bis sie ihn ansehen musste. »Und du wirst tun, was ich von dir verlange!«
Blitzschnell holte er mit der freien Hand aus und ritzte mit seiner Klaue Martáinns Hals auf. Blut quoll träge aus der Wunde und rann seinen Hals hinab. Bayne hob die Hand und fuhr mit seinem blutigen Finger über Catherines Lippen. Sofort veränderten sich ihre Züge wieder, wurden seelenlos, bis er nicht einmal einen Rest jener Frau erkannte, die sie gewesen war. Sie öffnete den Mund und entblößte lange Fangzähne. »Trink!« Bayne drückte sie hinab, bis ihre Lippen Martáinns Hals berührten.
»Nein! Catherine, nicht!«, brüllte Daeron. »Sieh mich an!« Ihm blieb keine Zeit, sein Schwert zu ziehen. All seine Sinne waren darauf gerichtet, Catherine zurückzuhalten. Was, wenn es längst zu spät war? Was, wenn es keine Rettung mehr gab? Ich werde dich nicht verlieren! Er riss das Weihwasser aus seiner Tasche und warf sich Bayne entgegen, der ihm noch immer den Weg versperrte.
Der Angriff kam blitzschnell. Während Daeron noch versuchte Catherine zu erreichen, holte Bayne aus. Seine Klauen gruben sich in Daerons linke Seite und zerfetzten sein Fleisch. Warmes Blut durchtränkte sein Hemd, strömte mit dem Leben aus seinem Körper. Schwäche traf ihn wie ein Fausthieb. Keuchend brach Daeron in die Knie.
*
Der Blutrausch erfüllte Catherine bis in die letzte Faser ihres Körpers. Sie spürte die Veränderung, die mit Martáinns Blut durch ihre Adern strömte. Eine animalische Kraft, die mit jedem Schluck anwuchs, während das Leben langsam aus Martáinns Leib entwich. Da war noch immer der Widerhall von Daerons Stimme, der durch die Ekstase drang, die Catherine gefangen hielt. Seine Worte jedoch vermochte sie nicht mehr zu verstehen. Dann war Daerons warme Stimme plötzlich aus ihrem Geist verschwunden, tastete nicht länger nach ihr. Hatte er ihr wahres Ich nicht länger ertragen und war gegangen?
Catherine hob den Kopf. Da sah sie ihn. Er lag zusammengekrümmt auf dem Boden, eine Hand an die blutige Seite gepresst, die andere um ein Fläschchen gekrampft. Sein Atem ging unregelmäßig und seine Augenlider flatterten. Der Anblick seines geschundenen Leibes berührte etwas in ihr. Sie spürte, wie sich die scharfen Spitzen ihrer Eckzähne zurückzogen. Plötzlich brannte Martáinns Blut auf ihren Lippen. Beißend stieg ihr der Metallgeruch in die Nase und grub sich in ihre geschärften Sinne. Mit einem Schrei fuhr sie zurück.
»Daeron!« Catherine starrte auf die große Wunde in seiner Seite. Unter entsetzlichen Mühen versuchte er sich aufzurichten, da holte ihr Vater aus und trat ihm das Weihwasser aus der Hand. Daeron sackte zusammen und regte sich nicht mehr.
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