Vampyr
hervor. »Rasch.« Sie wollte sich von Martáinn lösen, doch er gab sie nicht frei.
»Du hattest mein Blut«, sagte er sanft neben ihrem Ohr und packte mit der anderen Hand den Dolch, der noch immer auf dem Altarstein lag, »da ist es nur gerecht, wenn ich jetzt deines bekomme.«
»Was redest du da?«
Heiß pulsierend bohrte sich das Amulett unter seiner Haut in ihren Rücken. Er bog ihren Kopf zur Seite und küsste ihren Hals. »Du hast mich gerettet. Dafür danke ich dir.«
»Martáinn, was ist in dich gefahren? Lass mich los! Du machst mir Angst! Wir müssen Daeron helfen!« Die Erinnerung, wie sich das Amulett in sein Fleisch gegraben hatte, überfiel sie wie ein dunkler Schatten. Ihr Vater war tot! Konnte er dennoch gesiegt haben?
Mit der Spitze des Dolches schob Martáinn ihr Haar zur Seite, dann legte sich das kühle Metall auf ihre Haut, fuhr langsam, beinahe liebevoll darüber. »Roderick kann mir nun nichts mehr anhaben. Niemand wird mir jetzt noch im Weg stehen. Auch du nicht.«
Schrecken griff mit eisigen Händen nach Catherine. »Mein Gott! Er hat versucht mir etwas zu sagen, doch ich wollte ihm nicht zuhören.«
Obwohl sie Martáinns Gesicht nicht sah, konnte sie spüren, dass er lächelte. »Meine Gefühle für dich waren immer aufrichtig. Lange Jahre warst du mir eine enge Freundin. Du kanntest mich wie kaum jemand sonst. Ich habe das immer als gegeben hingenommen. Doch erst nach dem Tod meiner Eltern, als ich nicht ins Glen Beag zurückkehren konnte, ist mir bewusst geworden, wie viel du mir wirklich bedeutest.« Er zog sie noch fester an sich. Mit jedem Wort strich sein heißer Atem über ihren Hals. Der vertraute Geruch von Sandelholz umwehte ihn und stieg ihr in die Nase. Doch da war noch etwas anderes, ungleich Düstereres, das ihn wie eine faulige Aura umgab. »Ich hätte dich gerne für die Ewigkeit an meiner Seite gewusst. Als meine Frau hättest du es gut gehabt. Doch ich darf mir jetzt keine Sentimentalitäten erlauben. Nachdem John tot ist, brauche ich ein anderes Opfer.« Er wisperte die Worte, die ihren Tod verkündeten, mit der Sanftmut einer Liebeserklärung in ihr Ohr. Seine Lippen liebkosten ihren Hals. »Glaube mir, wenn ich könnte, würde ich jemand anderen wählen. Doch Daeron hat nicht mehr genug Leben im Leib und die Zeit drängt.«
»Bei Gott, Martáinn!«
»Quält es dich, nicht zu wissen, was dein Vater dir sagen wollte?«, raunte er.
Catherine stemmte ihre Hände gegen seinen Arm und versuchte ihn von sich zu schieben, bis sie vor Anstrengung keuchte. Martáinn verstärkte den Druck des Dolches. Das kühle Metall grub sich in ihren Hals, bis es in ihre Haut schnitt und sie zur Ruhe zwang.
»Du bist deinem Vater ähnlicher, als du denkst«, fuhr Martáinn fort, ohne die Klinge von ihrem Hals zu nehmen. »Auch er hat ein Gespräch belauscht, das nicht für seine Ohren bestimmt war. Meine Eltern sprachen über den Tag der Wandlung. Jenen Tag, an dem ich werden würde wie sie. Am Tag der Ushana, in meinem einundzwanzigsten Sommer.« Catherine sog hörbar den Atem ein, da hauchte Martáinn ihr einen Kuss aufs Haar. »Roderick war entschlossen das zu verhindern. Vater war unvorsichtig. Er hat Roderick unterschätzt und nicht geahnt, dass dieser um sein wahres Wesen und seine Schwächen wusste. Schwächen, die er sich zu Nutze machte, um meine Eltern auszulöschen.« Er schwieg einen Moment. »Selbstmord!«, zischte er dann. »Seine Männer kamen, als sie schliefen. Abgeschlachtet haben sie sie und ihre Leiber dann vom Turm geworfen. Dasselbe hätte er mit mir getan, wenn es mir nicht geglückt wäre, mich jahrelang vor ihm zu verbergen.« Martáinn spuckte aus. »Elender Mörder!«
Es fiel Catherine noch immer schwer, zu begreifen, was Martáinn ihr soeben offenbart hatte. Der Tag der Wandlung. »Aber du bist kein Vampyr.« Sie hatte gesehen, wie er im Licht gestanden hatte. Erst auf dem Marktplatz, später in Daerons Schlafzimmer, als er eigenhändig die Vorhänge zurückgezogen hatte.
»Nein, das bin ich nicht. Noch nicht. Es war der größte Wunsch meiner Eltern, mir ebenfalls das Geschenk des immer währenden Lebens zu geben. Da ich jedoch nach der Umwandlung nicht mehr altern würde, wollten sie damit warten, bis ich erwachsen war. Vater zwang die Ushana, einen Zauber in das Amulett zu binden. Und heute Nacht wird es, zusammen mit einem Opfer, meine Umwandlung vollenden. Drei Jahre musste ich mich verbergen in ständiger Furcht, Rodericks Häscher könnten mich
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