Vampyrus
ihren Einfluss zu vergrößern. Sie herrschten im Verborgenen, waren die Puppenspieler, die, die Fäden zogen. Ihre Machtgier war unendlich größer, als die Gier der Vampire nach Blut. Schon lange töteten die Vampire keine Menschen mehr. Es war auch nicht nötig: Mit ihrem Vampir-Charisma fanden sie immer Menschen, die sich bereitwillig beißen ließen. Aber die Magier versklavten die Seele. Das war schlimmer als der ewige Tod, als ein bisschen Blutverlust. Es war die vollkommene, gewissenlose Bösartigkeit. Sollte er ihnen wirklich auch noch mit dem Schwein helfen? Aber sie würden es doch sowieso tun.
Als hätte sie seine Gedanken gelesen, und manchmal war er sich sicher, sie könnte es, sagte Sira: „Wenn du ihnen diese Schweine gibst – also angenommen, es funktioniert mit der Schweinehaut auch – dann gibst du ihnen noch größere Macht in die Hände. Sie kämen noch einfacher an das Vampyrus. Wenn sie erst einmal alles kontrollieren, glaubst du, sie lassen uns dann noch frei herumlaufen? Wir, deren Seele sie nicht bannen können? Die Jagd auf uns wird von Neuem losgehen und diesmal werden wir alle in ihren Kerkern enden. Das Schwein wäre nur ein Aufschub, wenn überhaupt. Ich traue ihnen auch zu, einfach das Schwein zu nehmen und trotzdem noch Vampire zu hetzen. Es ist doch wie ein Sport für sie, das werden sie sich nicht nehmen lassen.“
Plötzlich ertönte hinter ihnen ein Knirschen. Sie hatten während ihres Streites nicht mehr auf das Schwein geachtet. Mit einem merkwürdigen hohen Knurren raste es zwischen Ihnen hindurch und stanzte ein Loch in das Garagentor. Marcel verlor Zeit, weil er das Garagentor erst öffnete, bevor er dem Schwein folgte. Sira, die viel zierlicher als er war und sofort durch das Loch geschossen war, war schon außer Sicht. Genauso wie das Schwein.
Martin Berger war gerade im Badezimmer, um sich den Tagesschweiß abzuwaschen, als er den Aufruhr im Schweinestall hörte. Das Fenster ging zum Hinterhof hinaus, gegenüber lagen die Scheune und daneben der Stall. Ein Scheppern und Quieken drang durch die Nacht. Angstvolles Quieken so schien es ihm. Hatte sich ein Fuchs in den Stall verirrt? Er streifte sein Hemd wieder über und rannte auf den Flur. Seine beiden Söhne waren noch nicht aus der Kneipe nach Hause gekommen, es lag an ihm, nach dem Rechten zu sehen. Er schlüpfte in seine Stiefel, riss den Flurschrank auf, seine Hand schwebte kurz über Schrotflinte und Jagdgewehr, entschied sich für die stärkere Waffe, riss sie heraus. Die Munition lag gleich daneben, was eigentlich verboten war. Im Laufen lud er die Waffe. Der Radau aus dem Stall hatte sich in ein Crescendo aus trommelnden Hufen und beinah menschlich anmutende hohe Schreie verwandelt. Das war kein Fuchs, aber Wölfe gab es doch hier nicht mehr. Zu Zeiten seines Großvaters sollen noch Wölfe in den Wäldern oberhalb der Heißinger Straße herumgestrichen sein und in besonders kalten Wintern … Aber es war ja gar nicht Winter.
Er hatte die Stalltür erreicht, riss sie auf und stürmte mit dem Gewehr im Anschlag in den Stall. Seine unzusammenhängenden Gedanken über Wölfe und vergangene Zeiten ließen ihn erst gar nicht erfassen, was er sah. Ein Schwein, ein grässliches fahles Tier hatte die Muttersau gerissen und saugte an seinem Blut. Ein kleines Ferkel lag tot vor der noch zuckenden Mutter, die anderen drängten sich in der äußersten Ecke des kleinen Abteils und schrien schrill. Die Schweine in den drei anderen Pferchen machten einen Höllenlärm. Während der Bauer noch zu begreifen versuchte, was hier geschah, ließ das Monsterschwein plötzlich seine Beute fallen und starrte ihn aus roten, für ein Schwein viel zu großen Augen an. Es knurrte und offenbarte spitze Hauer aus einem blutverschmierten Maul.
Martins Gehirn war wie leer gewischt, er starrte das Biest an und konnte es einfach nicht glauben. Wahrscheinlich lag er schon längst im Bett neben Irmi und träumte diesen Mist nur. Das kam von diesem blöden Film in den ihn Irmi und seine Tochter Emilia geschleppt hatten, so eine Vampir-Liebesschnulze. Die Vampire hatten im Sonnenlicht geglitzert, was Blöderes hatte er noch nicht gesehen. Und das war jetzt dabei herausgekommen, ein Traum über eine Blut trinkende Sau. Schade, dass Nacht war, vielleicht hätte das Vieh ja sonst im Licht, das am Tag durch die Oberfenster scheint, geglitzert. Martin hörte ein irres Kichern und nach einer Weile ging ihm auf, dass er das war. Dieses Geräusch und das
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