Vampyrus
wird dir ewiges Leben verleihen!“
Etwas kitzelte sie im Nacken. Stocksteif blieb sie stehen. Er hatte sie gefunden. Wie in Zeitlupe glaubte sie zu sehen, wie sich seine spitzen Eckzähne ihrem Nacken näherten. Wieder kitzelte es. Unter Aufbietung aller Willenskraft drehte sie sich um. Sie wollte nicht kampflos sterben. Kein Darius! Niemand hinter ihr? Dann fiel ihr Blick nach unten. Ein Junge, verkleidet als Bergbauer mit dem typisch moosgrünen Hut, in dem eine Kranichfeder steckte. Die hatte sie am Hals gekitzelt.
Vor Erleichterung gluckste sie, zum Lachen fehlte ihr die Kraft. Sie bückte sich und hob ein Lebkuchenherz auf, das gerade von einem der Wagen geflogen war. Kiss a Vampire! stand darauf.
Gabriele Susanne Schlegel
Das Vampirschwein
E in Vampirschwein? Bist Du bescheuert?“ Sira konnte den Blick nicht von dem bleichen Schwein abwenden. Es hockte im behelfsmäßigen Stall in der Garage auf den Hinterbeinen und starrte sie drohend mit roten, unnatürlich großen Augen an. Marcel hatte den hinteren Bereich der Garage mit einem schweren Eisengitter abgetrennt, es sah eher wie ein Gefängnis, als wie ein Schweinestall aus. Das Garagentor hatte er zusätzlich mit Decken abgedichtet, damit morgen früh kein Tageslicht eindringen konnte.
Sira wandte sich zu ihm um. „Es ist nicht erlaubt. Wir machen Tiere nicht zum Vampir. Niemals! Das ist gegen die Regel! Hast du das Vieh tatsächlich von deinem Blut trinken lassen? Igitt! Das ist abartig.“
Marcel wollte sie am Arm packen, doch sie wich ihm aus. Er sah sie beschwörend an. „Nun hör mir doch erst mal zu: Wenn wir aus seiner Haut Vampyrus machen können, wenn es funktioniert, dann hat die Jagd der Magier auf uns ein Ende. Verstehst du denn nicht? Wir besorgen Ihnen die Schweine und …“
„Es wird überhaupt nicht funktionieren, weil es ein Tier ist. Ohne Verstand“, fiel sie ihm ins Wort. Die Wut hatte ihre Eckzähne lang werden lassen, sie glitzerten im Schein der schwachen Garagenbeleuchtung. „Es reicht schon, wenn einige von uns, sich von Tierblut nähren“, sie schüttelte sich, „aber einen Tiervampir erschaffen? Davon habe ich noch nie gehört.“
„Es gibt Vampirfledermäuse!“
Ihre Augen wurden dunkel. „Willst du mich jetzt verarschen? Du weißt doch genau, dass die gar nichts mit uns zu tun haben. Nichts! Sie leben! Sie atmen! Sie …“
Er hob beschwichtigend die Arme. „Ja, ist ja schon gut. Bitte lass mich doch das mit dem Schwein versuchen. Warum regst du dich nur so auf? Hast du nicht gehört, was sie mittlerweile tun? Sie halten sich Vampire in Verliesen und schneiden ihnen die Haut vom Rücken. Sie geben ihnen Tierblut vom Schlachthof, um sich zu nähren. Kaltes Blut! Es reicht gerade, um sich zu regenerieren. Damit sie ihnen wieder die Haut vom Rücken schneiden können. Sie haben mittlerweile einen riesigen Verbrauch von Vampyrus. Hast du denn noch nicht mitgekriegt, wie Minister, Großindustrielle und Banker ihre Meinungen wechseln? Kehrtwendungen um 180 Grad von heute auf morgen? Bewilligung von Krediten für die abstrusesten Dinge?“
Sie rieb sich über die Arme, als ob sie frösteln würde. Natürlich fror sie nicht. Das war eine angenehme Seite des Vampirseins. Zu heiß oder zu kalt gab es nicht mehr. Aber Schmerz, Schmerz konnten sie noch empfinden. Die Wunden heilten, selbst schwerste Verletzungen. Sofern sie ihren Kopf aufbehielten und ihnen nicht ein Holzpflock ins Herz getrieben wurde, heilten sie innerhalb weniger Stunden. Wenn sie frisches, warmes Blut tranken, Menschenblut, dann ging es schneller. Eine Stichwunde schloss sich in Minuten, aber die Qual der Regeneration. Wie tausend Nadelstiche, nein Millionen Bienenstachel mit Widerhaken, die sich ins Fleisch wühlten.
Marcel dachte an Valentin. Er war seit Tagen verschwunden. Es sah ihm nicht ähnlich, einfach zu flüchten und niemanden zu sagen, wohin er ging. Sie waren Freunde. Der Einzige, den er Freund nennen konnte unter den Wesen der Nacht. Sie, die Jäger, waren plötzlich zu Gejagten geworden. Wie hatte das nur geschehen können? Verdammtes Vampyrus. Niemand wusste, wer es herausgefunden hatte. Aus Vampirhaut hergestelltes Pergament fing die Seele einer lebenden Person, wenn man deren Namen mit deren eigenem Blut auf das Pergament schrieb. Danach tat diese Person alles, was man weiterhin auf das Pergament notierte. Sie wechselte ihre Gesinnung, sie tötete andere oder auch sich selbst. Und der Bund der Magier sah hierin endlich ihre Chance,
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