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Vampyrus

Vampyrus

Titel: Vampyrus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hellinger , Gabriele S. Schlegel
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Gedankenverloren drehte Henk die fettige Plastikverpackung der Würstchen, die sein Abendessen dargestellt hatten, zwischen den Fingern und dachte über seine Situation nach. Letzte Nacht hatte er Valerius auf der Seebrücke gesehen. Es konnte natürlich auch ein Zufall gewesen sein, aber seine Intuition sagte ihm, dass er ihn gefunden hatte. Und nun? Er würde ihn wahrscheinlich töten. Seltsamerweise besorgte ihn weniger die Aussicht sterben zu müssen, als die Artwie es sein würde. Schwerfällig stand er vom Tisch auf und ging zu dem Bullauge in der stählernen Außenwand, das auf die Seebrücke hinausging. Der billige Wein, den er in sich hineingeschüttet hatte, machte sich bemerkbar.
    Es war finster draußen und Henk musste das Licht der nackten Glühbirne, die seine Küche beleuchtete, abschirmen, um nach außen blicken zu können. Der Steg, der den Pod mit der Seebrücke verband, war im kalten Mondlicht gut einzusehen. Pod, so nannte Henk seine Behausung am Ende der Seebrücke. Das Geländer des Stegs war zum Schutz gegen den Wind mit Glasscheiben bestückt. Einige von ihnen waren schon seit Langem zerbrochen. Niemand würde sie jemals ersetzen. Gegenüber schob sich die Seebrücke wie eine riesige schwarze Raupe von rechts nach links in das Blickfeld. Die Stützen, die sie im Wasser verankerten, waren ihre Beine. Die Fenster des unteren Decks bildeten ein Muster, das die Ähnlichkeit mit einem Insekt noch verstärkte. Die Treppenhäuser, die auf das Oberdeck hinausgingen, sahen wie Stacheln aus. Und dort oben, am vordersten Rand, stand jemand. Henk kniff die Augen zusammen, um die Gestalt besser ausmachen zu können. Ein Mann schaute herüber. Breitbeinig und lässig und jung. Seine langen weißen Haare leuchteten im Mondlicht. Bewegungslos stand Henk da und hielt den Atem an. Valerius. Was Henk seit einigen Tagen erlebte, ließ ihn an seinem Verstand zweifeln. Wie zum Teufel konnte der Kerl noch am Leben sein? Henk lief es kalt den Rücken hinunter, als er sich fragte, ob er die Eingangstüre des Pods wirklich fest verschlossen hatte. Immerhin war sie – wie alles hier – aus massivem Stahl.
    Der Pod war ursprünglich ein Nachtklub gewesen. Auf massiven Stützen gebaut stand er im seichten Meer vor dem Strand. Zu erreichen war er über einen Steg, der von der Seebrücke abführte. Er war in Form eines Schiffes gebaut, hatte zwei Decks. Das Oberdeck war mit Planken ausgelegt, früher standen dort Tische und Stühle und eine Bar, die der Brücke eines Schiffs nachempfunden war. Mit einem Schornstein, der sogar wirklich rauchte, da er mit der Heizung des Pods verbunden war. Der Betrieb lief anfangs nicht schlecht. Doch die Szeneleute hatten bald das Interesse verloren, da die Bars, die direkt am Strand lagen, ihr Ambiente nachrüsteten und viel bequemer erreichbar waren. Nach knapp zwei Jahren hatte der Pod schließen müssen. Und dann hatte er einige Zeit alleine vor sich hin gerostet, bis Henk als einziger Bewohner einzog. Nicht, dass Henk etwas unternahm, um den Verfall des Pods zu verzögern oder gar aufzuhalten. Der Pod gehörte ihm nicht, er wurde lediglich von der Stadtverwaltung geduldet, die ihm sonst ein anderes Obdach hätte zuteilen müssen.
    Im unteren Deck waren der Eingangsbereich mit einer Treppe nach oben und Lagerräume, von denen Henk einen als Küche, Wohn- und Schlafzimmer nutzte. Eine professionelle Küche, in der mehrere Leute arbeiten konnten, existierte zwar auch, aber Henk war mit ihrer Größe überfordert. Lieber hatte er sich einen Kohlenofen eingebaut, der gleichzeitig als Herd diente. Auch die sanitären Einrichtungen waren viel zu groß und Henk fühlte sich außerstande, sie zu pflegen. Früher hatte er auf dem Bau als Arbeiter gearbeitet. Seit er es gesundheitlich nicht mehr packte, bei jedem Wetter draußen zu sein, war es mit ihm bergab gegangen. Sparen hatte er dabei nie etwas können. Es hätte ohnehin nicht lange gereicht. Heute war er nichts Besseres mehr als ein Penner, der ein Dach über dem Kopf gefunden hatte. Aber immerhin konnte er sich von der Sozialhilfe Essen, Strom und Wasser leisten. Und wenn er ab und zu einen Spezialauftrag erledigte, sogar passabel leben.
    Henk starrte lange Zeit zu der Gestalt auf der Seebrücke hinüber, bis seine Augen tränten und er blinzeln musste. Als er wieder klar sehen konnte, war der Andere weg. Sein Blick fiel auf den Metallkoffer in der Ecke des Raums.
    Es begann vor zwölf Tagen. Van Buyten in seinem teuren Anzug. Glatt,

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