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Van Helsing

Van Helsing

Titel: Van Helsing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Ryan
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einigermaßen klar denken konnte, begriff er, was an dieser Szene nicht stimmte: Das Monster war nicht das, was es zu sein schien. Dennoch drohte Gefahr: ihm, der Mission und Anna. Mit einer raschen Bewegung zog er sein Elfenbein-Blasrohr aus den Falten seines Umhangs und schoss sechs Pfeile ab, die das Geschöpf allesamt in den Rücken trafen. Es schlug mit den Armen um sich und versuchte sich davon zu befreien.
    Van Helsing stand auf, während Anna angerannt kam und einen der Revolver vom Boden aufhob. »Wir müssen es töten«, sagte sie, aber Van Helsing packte sie am Handgelenk.
    »Nein, warten Sie!«
    Frankensteins Monster fiel auf die Knie und starrte sie mit trübem Blick an. Erstaunlich: sechs Pfeile, und es war immer noch bei Bewusstsein. Es wirkte erschöpft, besiegt und tieftraurig zugleich.
    »Wenn euch das eigene Leben und das der Euren etwas wert ist, dann werdet ihr mich töten«, sagte es.
    Van Helsing schob Anna zur Seite und ging auf die jämmerliche Kreatur zu, deren Pathos eindeutig daraufhin wies, dass sie mehr Mensch als Monster war. Ihr Atem ging immer schwerer. »Wenn Dracula mich findet ... Ich bin der Schlüssel zu der Maschine meines Vaters ... der Schlüssel zum Leben für Draculas Kinder.«
    »Er hat sie bereits zum Leben erweckt, vergangene Nacht«, erklärte Van Helsing.
    »Die stammten nur von einer Braut, von einer einzigen Geburt, und sie sind gestorben, wie letztes Mal, als er es versucht hat. Nur mit meiner Hilfe kann er ihnen ein dauerhaftes Leben schenken.«
    Van Helsing kniete sich hin. »Es gibt noch mehr von diesen Biestern?«
    Der Blick des Monsters war gefühlvoll, abwesend und voller Angst. »Tausende ... Abertausende.« Dann verlor es gänzlich das Bewusstsein und schlug mit einem Poltern, das durch die ganze Höhle hallte, der Länge nach hin. Seine Worte verschlugen Van Helsing die Sprache.
    Anna hob entschlossen den Revolver und zielte auf Frankensteins Monster. Ohne nachzudenken, stellte Van Helsing sich in die Schusslinie.
    »Sie haben gehört, was er gesagt hat«, meinte Anna.
    Van Helsing wusste, sie hatte Recht. Es war besser, das Monster zu vernichten, als zusehen zu müssen, wie die ganze Welt unterging!
    Es war logisch und zutiefst vernünftig. Aber Van Helsing konnte es nicht tun.
    Seit Jahren fragte er sich, was ihn von den Ungeheuern unterschied, die er jagte. Allzu oft waren ihre Methoden durchaus ähnlich. Und er hatte zu oft getötet, um Anspruch auf Tugendhaftigkeit erheben zu können. Aber noch nie hatte er einen Unschuldigen getötet, noch nie hatte er einen Unschuldigen sterben lassen, ohne nicht wenigstens den Versuch zu unternehmen, ihm zu helfen – auch wenn er dabei öfter versagt hatte, als ihm lieb war.
    Unter Umständen bestand also nur ein feiner Unterschied zwischen ihm und den Mr Hydes der Welt, und Van Helsing war nicht bereit, die Grenze zu überschreiten. »Es ist mein Leben, meine Arbeit, das Böse zu vernichten. Ich spüre das Böse.« Dieses Gespür rührte von seiner Ausbildung her, von den Erfahrungen in seinem düsteren Metier und von Opfern, an die er sich lieber nicht erinnern wollte.
    »Dieses Wesen ... was auch immer es sein mag«, fuhr Van Helsing fort, »mag zwar vom Bösen geschaffen und gezeichnet sein, aber das Böse beherrscht es nicht. Also kann ich es nicht töten.«
    »Ich aber«, entgegnete Anna eisern.
    »Nicht, solange ich hier bin«, entgegnete Van Helsing.
    Ihre Blicke kreuzten sich. Entschlossenheit und Zielstrebigkeit auf beiden Seiten. »Ihre Familie versucht seit vierhundert Jahren, Dracula zu töten. Vielleicht kann uns diese arme Kreatur dabei helfen.«
    Plötzlich nahm Van Helsing den Geruch eines anderen Wesens wahr, das in die Höhle eingedrungen sein musste. Es roch nach nassem Hund. Er sah einen Schatten, nur kurz, aber deutlich: der Werwolf! Anna hatte ihn auch gesehen.
    »Oh, mein Gott, er hat uns gefunden«, rief sie. »Jetzt kommen sie ihn holen. Und weder Sie noch ich werden sie daran hindern können.«
    Van Helsing fasste sie am Arm und zog sie an sich. »Ich muss ihn nach Rom bringen. Dort ist er sicher.«
    Anna wirkte nicht sehr begeistert, und Van Helsing konnte es ihr nicht verdenken. Sein Plan war erst im Anfangsstadium. Eigentlich war »Plan« sogar eine sehr wohlwollende Umschreibung für das, was er im Kopf hatte.
    Frankensteins Geschöpf war viel zu groß, unmöglich zu transportieren. Wenn sie ihn tragen mussten, kamen sie keine zweihundert Meter weit. Van Helsing kniete sich hin und

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