Van Helsing
in seiner Kehle: Durst! Er musste etwas trinken. Er drückte mit aller Kraft, aber das Gewicht über ihm rührte sich nicht mehr, und er sank nur noch tiefer in den Boden ein.
Plötzlich öffnete sich die Erde unter ihm und verschlang ihn. Wieder stürzte er in die Tiefe. Einen Moment lang befürchtete er, dass sein Leben zu Ende sein würde, wenn er auf dem Boden der Grube aufschlug. Doch er landete nicht auf hartem Grund, sondern im Wasser. Rasch kämpfte er sich an die Oberfläche.
Dann bemerkte er, dass er festen Boden unter den Füßen hatte und ihm das Wasser nur bis zur Brust reichte. Es war dunkel, aber am Echo der Angst- und Schmerzensschreie, die aus seiner Kehle aufstiegen, erkannte er, dass der Raum nicht besonders groß war. Er würde schon einen Weg nach draußen finden! Zunächst aber beugte er sich vor und trank, was zumindest die Schmerzen in seinem Hals linderte.
Dann fühlte er hinter sich, bis er Vaters Körper zu fassen bekam. Er erkundete die Umgebung, stieß nach kurzer Zeit auf eine Mauer, zog sich daran hoch, holte Vater aus dem Wasser und tastete sich in der Dunkelheit vorwärts. Eine Treppe! Anscheinend befand er sich im unterirdischen Teil der Windmühle.
Er trug Vater die Treppe hoch. Am oberen Ende befand sich eine Falltür, die er mit einer Hand aufzustoßen versuchte – vergeblich. Sanft setzte er Vater auf den Stufen ab, bearbeitete mit beiden Händen die Klappe und spürte, wie sie langsam nachgab. Anscheinend waren einige Windmühlentrümmer darauf gefallen.
Plötzlich sprang die Klappe auf, und was auch immer sie versperrt hatte, wurde zur Seite geschoben. Er streckte den Kopf hinaus und erblickte die verkohlten Überreste der Windmühle. Die schwarzen Balken waren kalt, also musste mindestens ein Tag vergangen sein, vielleicht auch mehr. Dessen war er sich sogar ziemlich sicher, aber wie viel Zeit genau, das konnte er beim besten Willen nicht sagen.
Ihm fiel der verbrannte Geruch auf, der in der Luft hing. Es roch nach Tod. In größter Eile beugte er sich vor und hob Vater auf. In der kühlen Nachtluft machte er unterschiedliche Ursachen für die Schmerzen aus, von denen sein Körper gequält wurde. Seine Haut fühlte sich an zahlreichen Stellen so an, als würde sie brennen. Und er hatte ein stechendes Gefühl in der Brust und einem Bein. Es tat weh, aber er wusste, das würde er überleben.
Dieser Gedanke erfüllte ihn mit Zufriedenheit: Vaters Traum würde nicht sterben. Allerdings war höchste Vorsicht geboten. Die bösen Menschen konnten überall sein. Gut, dass es Nacht war und er sich unerkannt bewegen konnte. Es galt einen Ort zu finden, der ihm tagsüber ein sicheres Versteck bot.
Da meldete sich ein neuer Schmerz, diesmal in seinem Magen. Er musste etwas zu essen finden. Aber zunächst hatte er etwas Wichtigeres zu tun. Er richtete den Blick auf Vaters Schloss und marschierte langsam darauf zu.
Nach einigen Minuten erreichte er eine kleine Baumgruppe an der Schlossmauer: ein guter Platz. Die Bäume boten ausreichend Schutz vor neugierigen Blicken, falls doch noch jemand von den bösen Menschen unterwegs sein sollte.
Nachdem er Vater abgelegt hatte, begann er mit den Händen ein Loch im Boden zu graben. Er grub eine ganze Weile, ehe ihm klar wurde, was er da eigentlich tat: Vater begraben. Vielleicht hatte Igor Recht, und er war tatsächlich ein Monster. Aber Vater war ein Mensch ... ein großartiger Mensch ... und musste nach seinem Tod anständig beerdigt werden.
Er wusste zwar nicht warum, war sich seiner Sache aber sicher. Emsig schaufelte er die Erde mit den Händen aus dem immer größer werdenden Loch und ignorierte geflissentlich die Schmerzsignale seines geschundenen Körpers.
Als das Loch tief genug war, dass er aufrecht darin stehen konnte, war er zufrieden. So behutsam wie möglich legte er Vaters Körper im Erdreich ab.
In der Ferne zeigte sich das erste Tageslicht am Himmel. Die Zeit drängte. Rasch kletterte er aus dem Loch und schaufelte es mit beiden Händen wieder zu. Zum Schluss trat er die Erde fest und bedeckte das Grab mit Laub.
»Lebe wohl!«, sagte er und spürte, wie seine Wangen nass wurden. »Jetzt bist du in Sicherheit, Vater.« Vielleicht war Vater nun in jenen Traum zurückgekehrt, aus dem er selbst im Schloss erwacht war. Was für ein Traum das gewesen war, daran konnte er sich allerdings immer schlechter erinnern.
Die Tränen wollten kein Ende nehmen. Jetzt war er ganz allein. Und ihn bewegten Fragen, die nur Vater hätte
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