Vanhelsing 01 - Schreckensgalerie
aufnehmen können?"
*
Gemeinsam mit Evelyn Sounders gingen wir in ein Cafe in der Nähe der Galerie. Es gehörte einem naturalisierten Österreicher, der den Ruf hatte, den besten Apfelstrudel in ganz London zu servieren. Die Adresse galt als Geheimtip und unser Reporterkollege Kelly J. Maddox behauptete sogar, daß die Apfelstrudel, die es hier gab, das Original ohne Schwierigkeiten ausstachen.
Evelyn Sounders bestellte nicht mehr als ein Glas Wasser.
Die Galeristin war totenbleich.
"Ich wußte einfach nicht, an wen ich mich wenden sollte", bekannte sie. "Ich weiß, daß Sie alles für Ihre reißerischen Artikel ausschlachten werden, aber..."
"Nein, da irren Sie sich", erwiderte ich. "Mr. Hamilton und ich sind keineswegs so skrupellos, wie Sie befürchten..."
Sie nickte.
"Zumindest hoffe ich bei Ihnen, daß Sie mir wenigstens glauben werden..."
"Haben Sie gesehen, wie Ihr Partner ums Leben gebracht wurde?" fragte ich.
Evelyn Sounders nickte zögernd. Sie biß die Lippen aufeinander und wich meinem Blick aus. "Ja", murmelte sie dann.
"Eine dieser Dämonengestalten ist aus seinem Bilderrahmen herausgestiegen, nicht wahr?" versuchte ich es ihr zu erleichtern. Sie sah mich erstaunt an.
"Woher wissen Sie das?"
"So war es doch, oder?"
"Ja, genau so wahr es!" Sie schlug die Hände vor das Gesicht und begann aufzuschluchzen. Es dauerte einige Augenblicke, bis sie sich wieder gefaßt hatte. Mit tränenumflorten Augen sah sie mich an. Sie wirkte wirklich verzweifelt.
"Ich bin eine nüchterne Geschäftsfrau, Miss Vanhelsing.
Eine Frau, der man eher den Vorwurf macht, etwas spröde und phantasielos zu sein... Ich litt auch niemals unter Wahnvorstellungen oder dergleichen! Aber als das mit den Bildern begann, glaubte ich schon, ich sei drauf und dran, den Verstand zu verlieren!"
Ich hob die Augenbrauen. "Als was begann?" hakte ich nach.
"Nun, es begann eigentlich schon, als ich zum ersten Mal ein Brennan-Gemälde zu Gesicht bekam. Sehen Sie, Allan Brennan ist sicher ein handwerklich sehr geschickter Maler.
Ich persönlich halte seine Werke allerdings nicht für künstlerisch besonders wertvoll. In seinem Werk gibt es nichts, was man als relevante Aussage betrachten könnte, wenn Sie wissen was ich meine. Und doch... Da war etwas, das mich von Anfang an gefangennahm. Die Blicke dieser unheimlichen Wesen, die er auf die Leinwand bannte, schienen den Betrachter regelrecht zu verfolgen..." Evelyn Sounders'
Blick war nach innen gekehrt. Die Erinnerung an das Geschehene nahm sie sichtbar mit. "Ich kann es nicht erklären, aber ich hatte sofort ein ungutes Gefühl. Am liebsten hätte ich Brennans Bilder überhaupt nicht in unser Programm aufgenommen!"
"Und warum haben Sie es doch getan?" fragte Tom.
Sie zuckte die Achseln.
"Mr. McInnerty war sehr dafür. Er hatte immer eine Nase für das Geschäftliche - und er sollte ja auch recht behalten! Die Bilder verkauften sich blendend." Sie hob den Kopf und fuhr fort: "Wenn man sich einmal wirklich in eins dieser Bilder hineinvertieft hat, dann kommt man nicht mehr heraus... Es ist wie eine düstere Art von Magie. Ein unheimliche Anziehungskraft geht von den Brennan-Gemälden aus, die bewirkt, daß man sie wieder und wieder anstarren muß."
"Ich verstehe sehr gut, was Sie meinen, Mrs. Sounders", nickte ich.
Sie sah mich zweifelnd an, ging aber nicht weiter darauf ein. Statt dessen fuhr sie fort: "Ich bemerkte schließlich, daß diese Bilder sich bewegten. Manchmal waren es nur Nuancen, die verändert waren. Aber zweifellos ging da etwas unerklärliches vor sich. Unser Galerie-Katalog ist der Beweis. Dort sind die Bilder nämlich so zu sehen, wie sie anfangs waren. Ich wollte es erst nicht wahrhaben, überlegte schon, ob ich vielleicht den Rat eines Psychologen aufsuchen müßte. In meinem Job ist man einem großen Druck und viel Streß ausgesetzt, wie sie sich sicher denken können. Jedenfalls wäre ich nicht die Erste, die da durchdreht..."
"Haben Sie den Katalog noch?" fragte ich.
Sie nickte. "Ja, er liegt in der Galerie. Ich nehme nicht an, daß dieser Inspector Craven ihn als Beweisstück mitnehmen wird."
"Sie haben ihm nichts von diesen Dingen gesagt, nehme ich an."
"Glauben Sie vielleicht, daß das klug gewesen wäre, Miss Vanhelsing?"
"Um ehrlich zu sein, ich hätte vermutlich genauso gehandelt wie Sie."
Sie atmete tief durch. "Wenigstens verstehen Sie mich. Ich dachte schon, ich wäre mit dieser Sache völlig allein auf der Welt. Wissen Sie, es ist ein
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