Vanhelsing 01 - Schreckensgalerie
Herr, der stets in einem sehr stilvollen maßgeschneiderten Dreiteiler daherkam. Ein Mann, der gleichermaßen intellektuelle Brillanz und gediegenen Stil verkörperte. In letzter Zeit tauchte Professor St. John immer häufiger als Gast in der Vanhelsing-Villa auf. Neuerdings schien er sogar ein gewisses Faible für den Okkultismus entdeckt zu haben, was bei einem nüchternen Naturwissenschaftler wie St.John natürlich verwunderte.
Zumindest auf den ersten Blick.
Auf den zweiten mußte jeder Beobachter zu der Erkenntnis kommen, daß Tante Lizzy auf ihre Art eine ebenso akribische Forscherin war, die in paranormalen oder außersinnlichen Phänomenen nichts anderes sah, als Geschehnisse, für die die moderne Wissenschaft - noch - keine Erklärung zu liefern in der Lage war. Ihr war dabei sehr wohl bewußt, wie viele Scharlatane und Geldschinder sich auf diesem Gebiet tummelten und die Leichtgläubigkeit ihrer Mitmenschen ausnutzten.
Tante Lizzy wollte nichts anderes, als die Spreu auf diesem Gebiet vom Weizen zu trennen.
Mochte der Weizen - echte okkulte Phänomene - auch noch so rar sein, wenn man ihn mit der Menge der Spreu verglich: er war da. Ich selbst hatte es erlebt... Und nicht nur einmal!
An diesem Tag hatte ich einen ziemlich stressigen Tag in der Redaktion der LONDON EXPRESS NEWS hinter mir. Am Abend wollte mein geliebter Tom Hamilton mich abholen, um mich in ein neues italienisches Restaurant im West End zu entführen.
Dafür hatte ich mich ein bißchen aufgebrezelt. Ein schlichtes, aber sehr elegantes hellblaues Kleid, dazu Pumps und hochgesteckte Haare. Mit meiner Frisur war ich irgendwie noch nicht hundertprozentig zufrieden gewesen, aber dann war Tante Lizzy in mein Schlafzimmer geplatzt und hatte gemeint, daß ich ihr unbedingt in die Bibliothek folgen müsse. Sie hätte eine Entdeckung gemacht...
"Patti!" murmelte sie und hielt mir ein vergilbtes Stück Papier entgegen, beschrieben mit einer eigenartigen, grau schimmernden Tinte. "Ich habe endlich einen Hinweis auf dieses Buch gefunden, auf das du in Darnby-on-Sea gestoßen bist..."
Gerade noch hatte ich ein Gähnen unterdrücken müssen.
Jetzt war ich hellwach. Und an meine Frisur verschwendete ich keinen Gedanken mehr.
"Du meinst..."
"...das LIBRUM HEXAVIRATUM", vollendete Tante Lizzy.
Tom und ich waren bei der Aufklärung einer Serie mysteriöser Todesfälle in einem kleinen Ort in Northumberland auf ein Buch gestoßen, das auf jeden, der in ihm las, eine wahrhaft magische Wirkung ausübte. Verfaßt war es von einem geheimnisvollen Rat der Sechs - Wesenheiten, die aus dem Hintergrund angeblich seit Urzeiten die Geschicke der Welt lenken. Und ihr Buch, das LIBRUM HEXAVIRATUM wirkte direkt auf das menschliche Bewußtsein. Innerhalb einer Sekunde war die Erinnerung an jenen Augenblick wieder lebendig, in dem ich das Buch aufgeschlagen und mein Blick die langen Reihen der unbekannten Schriftzeichen entlanggewandert waren...
Das Exemplar des LIBRUMS, das wir auf Darnby Castle gefunden hatten, war zu Staub zerfallen. Aber es mußte weitere geben. Ich war überzeugt davon. Niemand, der einmal in einem Exemplar dieses Buches gelesen hatte, würde es je vergessen können. Jedenfalls hatte das Lord Darnby gesagt, jener düstere Unsterbliche, der sich der finsteren Magie des LIBRUMS bedient hatte.
Jetzt war auch er längst zu Staub zerfallen.
Aber er hatte Recht behalten.
Der Gedanke an das Buch hatte mich seit unserer Rückkehr aus Northumberland nicht mehr losgelassen.
Tante Lizzy reichte mir das Schriftstück.
Es war ein Brief, soviel konnte ich erkennen. Die Schrift war ziemlich verschnörkelt. "Das ist französisch!" stellte ich fest.
"Das Papier stammt aus einem Briefwechsel, den Hermann von Schlichten mit dem französischen Okkultisten Francois Salasar führte... Ich habe die Papiere letzte Woche bei einer Haushaltsauflösung in Southampton erworben. Auf irgendwelchen verschlungenen Pfaden sind sie in den Besitz einer englischen Lady gefallen, die vor kurzem im Alter von 103 Jahren verstarb. Glücklicherweise wußten ihre Angehörigen den Wert dieser Dokumente nicht im mindesten zu schätzen..."
"Ich fürchte, mein Schulfranzösisch ist nicht gut genug, um diesen Brief zu verstehen", erklärte ich.
"Bei mir ist das nicht anders", lächelte Tante Lizzy. "Aber glücklicherweise habe ich einen Bekannten, der exzellent Französisch spricht!" Tante Lizzy deutete auf Hugh St.
John, der mir mit einem freundlichen Lächeln zunickte.
"Ich
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