Vanhelsing 01 - Schreckensgalerie
hastig aufgetragen zu sein schien. Der Maler muß ein ungeheures Arbeitstempo gehabt haben! ging es mir durch den Kopf. Auf Sorgfalt hatte er offenbar nicht soviel Wert gelegt. Jedenfalls wies die Grundierung Lücken auf, durch die die Leinwand durchschimmerte. Und doch hatte dieses Bild eine so beeindruckende Wirkung!
"Der Dämon verblaßte vor unseren Augen", erklärte Mrs.
Waters. "Es war gespenstisch. Mein Hausmädchen Bridget könnte Ihnen alles bestätigen, was ich gesagt habe - aber sie ist im Moment krankgeschrieben und befindet sich wegen psychischer Erschöpfung in ärztlicher Behandlung..."
"Ich verstehe", murmelte ich, obwohl das reichlich übertrieben war.
Ich trat vor das Bild, hob die Hand und berührte leicht den kunstvoll verzierten Holzrahmen. Ein eigenartiges Prickeln durchlief meinen Arm, hinauf bis zur Schulter. Im selben Moment spürte ich einen leichten Druck hinter der Schläfe.
Kleine Reste mentaler Energien, dachte ich. Eine Art übersinnlicher Restspannung. Mehr nicht.
"Woher hatte Ihr Mann das Gemälde?"
"Der Name und die Adresse der Galerie stehen auf einem kleinen Schild, daß auf der Rückseite klebt", erklärte Mrs. Waters. Sie seufzte. "Vielleicht ist es etwas zuviel verlangt, aber ich möchte, daß irgend jemand Licht in den Todesfall meines Mannes bringt. Zu Scotland Yard habe ich in dieser Beziehung keinerlei Zutrauen. Die kümmern sich um Fingerabdrücke und Gewebespuren. Und selbst wenn die ein Ergebnis zeigen, daß das gewohnte Bild sprengt, dann nehmen sie es gar nicht erst zur Kenntnis..."
*
Die Galerie Sounders & McInnerty lag in einer kleinen Seitenstraße in der Nähe des Picadilly Circus. Es war illusorisch, in der Nähe einen Parkplatz zu finden und so mußte wir fast eine Viertelstunde zu Fuß gehen, um schließlich vor dem Eingang des unscheinbaren Altbaus zu stehen, in dessen unterer Etage die Galerie eingerichtet war.
Eine freundliche, etwas streng dreinschauende Dame in einem grauen, sehr konservativ wirkenden Kostüm begrüßte uns und führte uns in die hohen Räume, in denen die Bilder jener Künstler ausgestellt waren, die bei Sounders & McInnerty unter Vertrag waren.
Wir stellten uns vor. Als ich erwähnte, daß wir für die LONDON EXPRESS NEWS arbeiteten, hoben sich verwundert ihre Augenbrauen. "Seit wann beschäftigt man sich auf den Seiten Ihres Blattes mit Kunst?"
Tom ignorierte ihre Bemerkung.
"Ihre Galerie gibt es noch nicht besonders lange, oder irre ich mich?" fragte er statt dessen. Tom Hamilton ging hin und wieder auf Vernissagen und verfaßte Kunstkritiken - allerdings für die Konkurrenz und unter Pseudonym, denn die Leser eines Massenblattes, wie es die LONDON EXPRESS NEWS nun einmal war, interessierten sich dafür mehrheitlich nicht.
Die Dame in grau, die sich als Evelyn Sounders vorgestellt hatte und offenbar eine Miteigentümerin der Galerie war, bestätigte Toms Vermutung.
"Sie haben Recht", erklärte sie. "Wir haben vor drei Jahren angefangen - und der Erfolg war anfangs eher bescheiden, wie ich zugestehen muß..."
Tom lächelte.
"Es kann genauso gut mein Fehler sein, daß ich bislang noch nichts von Ihnen gehört habe..."
"In Zukunft werden Sie mehr von uns hören, daß kann ich Ihnen versprechen."
Tom hob die Augenbrauen und musterte Evelyn Sounders fragend.
"Kunst zu verkaufen ist nicht einfach, vor allem, wenn es sich um moderne Kunst handelt", hielt er ihr entgegen. "Woher nehmen Sie Ihren Optimismus..."
"Weil wir in jüngster Zeit einen Maler unter Vertrag genommen haben, der sich zweifellos durchsetzen und für gehöriges Aufsehen sorgen wird. Bei einigen Kritikern gilt er jetzt schon als Geheimtip - und wenn Sie sich seine Bilder ansehen, dann werden Sie diese Faszination zweifellos teilen.
Er heißt Allan Brennan!"
Tom und ich wechselten einen kurzen Blick, als dieser Name fiel.
"Ein junges Talent?" fragte ich.
"Oh nein, Mr. Brennan ist alles andere als das! Er malt bereits seit Jahren, allerdings hatte er es bisher nicht nötig, seine Bilder zu verkaufen. Erst in letzter Zeit scheint sich daran etwas geändert zu haben, und so schneite er eines Tages in unser Büro..." Evelyn Sounders zuckte die schmalen Schultern. "Es gibt tatsächlich Künstler, denen es sehr schwerfällt, sich von ihren Werken zu trennen. Sie lassen sie lieber im heimischen Atelier verstauben, als sie in fremde Hände zu geben... Ich kann das zwar nicht nachvollziehen, aber ich bin ja auch keine Künstlerin. Nur eine Geschäftsfrau, die
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