Vanhelsing 01 - Schreckensgalerie
vorbei, auf die Tür zu. Knarrend öffnete er sie.
"Allan!" rief Rovenna ihm hinterher. Er drehte sich nicht um. "Allan, du weißt nicht die Wahrheit!"
Er blieb stehen.
"Welche Wahrheit?" fragte er.
"Die Wahrheit über Morris' Tod!"
Allan Brennan wandte den Kopf. "Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Rovenna!"
"Ist dir noch immer nicht klar, weshalb mich sein Tod so mitgenommen hat? Weshalb ich nicht mehr Leben wollte? Weshalb es mir unmöglich wurde, in der Öffentlichkeit an einem Flügel zu sitzen und zu spielen?"
Der Maler hob die Augenbrauen.
"Du hast ihn sehr geliebt", meinte er. "Es ist doch nur natürlich, daß..."
Rovenna unterbrach ihn.
"Kurz bevor er den Unfall hatte, hatte er mir gesagt, daß er die Beziehung mit mir beenden wollte..."
Auf Allan Brennans Stirn erschienen jetzt tiefe Furchen.
Seine Augen wirkten auf einmal hellwach.
"Rovenna!" stieß er hervor. "Das wußte ich nicht."
"Ich habe es selbst lange Zeit nicht wahrhaben wollen und einfach so getan, als wäre es nie passiert. Aber es ist geschehen. Ich dachte, daß er zu mir zurückkehren würde, sobald er aus dem Jenseits zurückkehrt! Aber jetzt glaube ich das nicht mehr..."
"Das bildest du dir alles nur ein, Rovenna! Du weißt, das du immer wieder unter Wahnvorstellungen gelitten hast, seit jenem Tag..."
"Vielleicht, weil ich der Wirklichkeit entfliehen mußte.
Und der Schuld..."
"Rovenna, was redest du da? Was für eine Schuld meinst du?"
Die junge Frau stand wie zur Statue erstarrt da. Das flackernde Licht einer der letzten noch nicht heruntergebrannten Kerzen beleuchtete sie notdürftig.
Schatten tanzten wie ein Reigen böser Geister auf ihrem Kleid. " Ich bin für Morris Tod verantwortlich, Allan."
"Was?"
Er blickte sie ungläubig an und schien völlig fassungslos zu sein.
"Du kennst meine Kräfte", sagte sie dann. "Diese unheilbringenden Kräfte des Feuers, das ich zu entzünden vermag..."
*
Ich rief Evelyn Sounders an, um ihr zu sagen, daß die hintere Tür ihrer Galerie offen war. Von der Galeristin erfuhr ich dann, daß noch am Vormittag die Bilder Allan Brennans aus der Gallerie abgeholt und zur Brennan Villa zurückgebracht werden sollten.
"Rovenna Brennan hat im Auftrag ihres Bruders bei mir angerufen und mir mitgeteilt, daß der Vertrag mit dem Maler ausgesetzt sei...", berichtete Evelyn Sounders. "Es gibt zwar eigentlich keinen Vertragsparagraphen, der das so einfach zuließe, aber es ist mir ganz recht so. Deshalb werde ich auch nichts dagegen unternehmen. Je schneller diese Bilder weg sind, desto besser..."
"Haben Sie eine Ahnung, wie es zu dieser Sinnesänderung gekommen ist?" fragte ich.
"Nein, Miss Vanhelsing. Allerdings bin ich sprunghafte Entscheidungen aus dem Hause Brennan schon so lange gewöhnt, wie ich mit diesem eigenartigen Gentlemen zusammenarbeite."
"Ich verstehe."
"Und Sie sind sich sicher, daß es sich bei dem Aufbruch der Tür nicht um einen Einbruch handelt?"
"Ja. Eines der Bilder ist leer, Mrs. Sounders..."
Auf der anderen Seite der Leitung war nur betretenes Schweigen.
Schließlich sagte sie: "Ich werde gleich da sein und mal nachsehen, ob irgend etwas fehlt. Vielleicht muß ich ja doch noch die Polizei rufen..."
Wenig später traten Tom und ich ins Freie. Ich sah gerade noch, wie mein kirschroter 190er am Haken eines Abschleppwagens um die nächste Ecke gezogen wurde.
"Heh!" rief ich aufgebracht.
Aber es hatte natürlich keinen Sinn.
Der Wagen war weg.
"War wohl der falsche Parkplatz", meinte Tom. "Aber mach dir nichts draus - im allgemeinen werden die abgeschleppten Wagen gut behandelt und du bekommst deinen Oldtimer ohne Kratzer zurück."
"Ja, wenn ich die Gebühr bezahlt habe!"
"Irgendwann erwischt es jeden Mal!"
Ich seufzte. "Etwas mehr Mitleid hätte ich schon von dir erwartet!" sagte ich mit gespieltem Tadel. Wir küßten uns.
Tom war schlauer gewesen als ich. Er hatte seinen Volvo eine Straße weiter abgestellt.
Ich saß kaum auf dem Beifahrersitz, da klingelte mein Handy. Es war unser Chefredakteur persönlich und mir fiel schlagartig ein, daß ich längst hinter meinem Schreibtisch hätte sitzen müssen.
"Guten Morgen, Mr. Swann", brachte ich gerade noch heraus, dann unterbrach unser Chef mich, und ich erwartete eigentlich, daß er mir gehörig die Leviten las. Aber da hatte ich mich getäuscht. Ich sollte eine Überraschung erleben.
"Patricia kommen Sie sofort in die Redaktion. Ist Mr. Hamilton bei Ihnen?"
"Ja."
"Dann bringen Sie ihn bitte mit. Es
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