Variationen zu Emily
immer mal wieder eine Annäherung ... aber vorsichtig ... er ist verheiratet ... mit zwei Kindern ... ein wenig fett auch ... und sowieso weit weg ... endlich die Ausfahrt ... nur noch Minuten ... die Bahnhofstraße herunter ... und jetzt in mein Gässchen ... ich werde ihr etwas Schönes schenken ... nur für die zwei letzten Tage ... als Erinnerung ... sie hat ja anscheinend sonst nicht viel ...
12. RULE BRITANNIA IV
Hallo, guten Abend! Hi, Andrea – übermorgen, nicht wahr? Nicht vergessen! Na, schon lange hier? Das zweite erst? Dann können wir ja noch ein paar zusammen trinken. Und zu Hause alles klar? Was? Zu ihrer Mutter? Aber doch nur vorübergehend, oder? Weißt du nicht. Das ist natürlich blöd. Na ja. Ist immer schwierig.
Ich war ja mal mit Ricarda zusammen. Du weißt schon, die kleine Brünette zwei Klassen unter uns, mit der ich eine Weile herumzog. Wir kannten uns noch von der Schule her – oberflächlich, so eine Grüßbekanntschaft, die zwar gegenseitiges Interesse signalisiert, aber nicht das entscheidende Engagement auslöst. Sie war ja ganz attraktiv. Dunkelhaarig, ein wenig flache Stirn, ein bisschen zu lange Nase. Aber nett gewachsen und irgendwie sinnlich. Ich hatte ein paarmal überlegt, mit ihr etwas anzufangen, aber es hatte sich nie ergeben.
Nun, unsere Truppe traf sich damals noch im Adler. Du kannst dich bestimmt erinnern. Der italienische Wirt, der immer so mürrisch wirkte, aber eigentlich sehr nett war. Eine Spielerei der Natur. Jedenfalls war es für uns eine anregende Umgebung. Das Haus steht ja auch nicht mehr. Eines Abends jedenfalls, während einer unserer Sitzungen, kreuzte sie da auf, zusammen mit ihrem Freund. Ein Typ in unserem Alter, den ich zuvor noch nie gesehen hatte. Er unterschied sich schon in der Kleidung dramatisch von uns: Er trug einen dreiteiligen Anzug und eine Krawatte, und das abends um zehn oder so. Das war die Zeit, zu der uns eine Krawatte so sinnvoll vorkam wie ein Stachelhalsband für einen Goldhamster. Sie grüßten aus der Ferne und setzten sich allein an einen Tisch.
Später kamen sie herüber. Es war wie immer eine lustige Runde. Viel Insidergeschwätz, viel halbintelligente Blödelei. Mehrere Stiefel wurden geleert. Dann sprang der Wirt über seinen Schatten und gab eine Runde Grappa aus. Es wurde langsam laut. Ricarda schien es zu gefallen, aber ihr Freund fühlte sich unbehaglich. Verständlich. Von unseren Anspielungen verstand er zur Not ein Viertel, und außerdem trank er nicht. Daher war es nicht verwunderlich, dass sie schließlich verschwanden.
Verwunderlich war aber: Sie kam nach einer halben Stunde allein zurück! Wir hatten uns ein paar Mal über den Tisch hinweg angeschaut, auch gelächelt, und ich hatte das Gefühl gehabt, dass da so etwas wie eine elektrische Ladung zwischen uns entstanden war. Daher freute ich mich wirklich, als sie plötzlich wieder auftauchte. Und sich neben mich setzte. Zunehmend angetrunken und in ausgelassener Stimmung, flirtete ich mit ihr, fragte sie nach Beruf und anderen Lebensumständen – das übliche eben. Dann hielt ich ihre Hand, und der Einstieg in eine Liebesgeschichte schien gefunden.
Es dauerte danach aber noch eine Weile. Sie zierte sich, war unentschlossen und zöge rlich. Unser kurzer Abschiedskuss an diesem Abend war für längere Zeit die einzige Intimität, die sie gestattete. Sie studierte damals noch – Betriebswirtschaft, glaube ich. Und sie wohnte bei ihrem Freund, mit dem sie schon einige Jahre zusammen lebte und der wohl ganz gut verdiente. Da war ihre Vorsicht natürlich zu verstehen. Ich selbst war mir auch nicht ganz sicher. Klar, sie sah nett aus, aber es gab da einen Zug von Wehleidigkeit und Egozentrik, der mich irritierte. Immer wieder versuchte sie, sich in den Mittelpunkt zu stellen, und häufig nutzte sie dazu irgendwelche langweiligen Krankheiten oder kleinere körperliche Beschwerden. So war der Weg von beiden Seiten nicht ganz freigeräumt. Entsprechend wenig passierte am Anfang. Allerdings sahen wir uns ein- oder zweimal wöchentlich in der Kneipe, wo sie jetzt regelmäßig und immer allein erschien.
Ich habe mich damals gefragt, wie ihr Freund diese langen Nächte im Kreis von saufenden jungen Männern wohl beurteilt haben mochte. Denn Frauen waren ja wirklich selten dabei. Aber offensichtlich war Krawattenmann nicht besonders eifersüchtig.
Wir waren also ständig von gesprächigen Menschen umgeben. Trotzdem wuchs langsam eine Art von Vertrautheit
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