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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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Eine der verzierten Glasscheiben fehlte und war mit Teerpappe zugeklebt. Unter dem ausladenden Vordach standen ein paar Polizisten des MDPD, die den Eingang bewachten und sich unterhielten. Zwei typische Undercover-Wagen – ein Chevy Impala und ein Ford Taurus – flankierten den Van der Spurenermittlung in der Einfahrt, und mehrere Streifenwagen der Dienststellen Coral Gables und MiamiDade standen bis zu den Grundstücksgrenzen auf der Straße. Auf der anderen Seite entdeckte Julia einen Übertragungswagen von Channel % dessen riesige Satellitenschüssel sich unter den Telefonmasten, einem majestätischen alten Eukalyptusbaum und den schattenspendenden Feigenbäumen duckte.
« So wissen wir, wie es hier aussah, bevor die Spurensicherung alles platt gewalzt hat», fuhr Rick mit einem Blick auf das Haus fort.
« Aber ich wollte, dass du den Tatort mit eigenen Augen siehst. Videos und Fotos genügen nicht. Erst wenn du selbst vor Ort gewesen bist, weißt du, wovon die Detectives, die als Erste am Tatort waren, im Zeugenstand reden – durch welche Tür sie kamen und was sie getan haben. Nur wenn du weißt, was sich hinter einer Tür verbirgt, wenn du die Räumlichkeiten vollständig vor Augen hast, kannst du den Tathergang auch den Geschworenen verständlich machen. Du weißt, wie es im Haus gerochen hat und ob man die Nachbarn streiten hören kann. Jeder Tatort hat seinen eigenen unverkennbaren Geschmack. Erst wenn du zusammennimmst, was du gesehen, geschmeckt, gehört und gefühlt hast, bist du in der Lage, den Geschworenen zu beschreiben, was sie wissen müssen, mit genau den Details, die wichtig sind.» Im Garten vor dem Haus hingen selbstgemachte Geisterpuppen von den Ästen einer alten Eiche. Halloween-Dekoration. Während Rick sprach, sah Julia zu, wie sie sich im Wind drehten und tanzten. Vorn auf dem ordentlichen Rasen entdeckte sie ein Dreirad und einen riesigen Hüpfball, der im Gestrüpp lag. Das grüne Zeltdach eines aufwendigen Klettergerüsts ragte über einen schwarzen Eisenzaun hinter dem Haus. Dort gab es wahrscheinlich noch mehr Spielzeug. Spielzeug, das nie mehr benutzt werden würde. In ihrem Magen rumorte es, als hätte sie etwas Schweres verschluckt. Es war schwer vorstellbar, dass diese idyllische Villa der Schauplatz mehrerer Morde sein sollte. Es war schwer vorstellbar, was sich innerhalb der Mauern verbarg, das so viele Polizisten auf den Plan gerufen hatte. Noch etwas anderes machte Julia zu schaffen. Auch wenn sie noch nie bei einem
« echten» Mordfall mitgearbeitet hatte, wie Charley Rifkin es ausdrücken würde, wusste sie, wie die Ermittlungen abliefen. Alles Persönliche, alles Private in diesem Haus würde von völlig Fremden uneingeschränkt unter die Lupe genommen werden. Schubladen wurden herausgezogen, Schränke durchwühlt, Schachteln geöffnet, Briefe und Notizen gelesen. Und obwohl sie Jennifer Leigh, die nur vier Jahre älter war als sie, nie kennengelernt hatte, wusste Julia, dass es Dinge in der hübschen hellgrünen Villa gab, die für niemandes Augen und Ohren bestimmt waren. Jede Frau hatte Geheimnisse – Liebesbriefe, ein anzügliches Negligè, Fotos, Tagebücher. Jetzt kramten Dutzende von Händen – auch Julias – durch all die kleinen Dinge, fingerten daran herum, fotografierten, bewerteten, interpretierten. Und das Zynische war, dass selbst dann, wenn der Fall endlich abgeschlossen sein würde, all die privaten Geheimnisse für immer in einer Asservatenkammer landeten, offiziell katalogisiert und nach dem Gesetz von Florida öffentlich zugänglich als Teil des Staatsarchivs. Julia nahm sich vor, noch heute Abend ihre vollgestopften Schränke aufzuräumen.
« Bist du bereit?», fragte Rick, als er den Schlüssel aus dem Zündschloss zog. Plötzlich klopfte es gegen die Fahrertür, und sie zuckte zusammen. Vor Ricks Fenster stand in einer zerknitterten blauen Hose und einem rosafarbenen Poloshirt Edward
« Teddy» Brennan von Channel 7. Julia kannte ihn von den Zehn-UhrNachrichten, auch wenn er im wahren Leben kleiner wirkte als im Fernsehen und dank den metrosexuellen Wundertaten der Maske viel braungebrannter.
« Hey, Leute! Teddy Brennan, für die Channel-7 -Nachrichten», rief er.
« Kann ich euch ein paar Fragen stellen?» Hinter Brennan stand ein Willie-Nelson-Verschnitt mit einer großen teuren Kamera auf der Schulter. Mit seinem langen vergilbten Bart, dem passenden Zopf, der ihm über den Rücken hing, den altmodischen zerrissenen Jeans und einem Dark Side

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