Vatermord und andere Familienvergnuegen
die Topmeldung aus der Sackgasse, in die er sich selbst hineingedacht hatte: Unmittelbare Eingebungen sind ebenso unzuverlässig wie zwingend.
Sehen Sie? Wie konnte ich ihr von diesen Dingen erzählen, wenn ich nicht sicher war, ob ich mich nicht gerade selbst verarscht hatte? Genauso wenig konnte ich ihr erzählen, dass ich manchmal davon überzeugt war, ich könne Dads Gedanken lesen, und gelegentlich den Verdacht hegte, er könne es umgekehrt auch. Manchmal versuchte ich, ihm etwas mitzuteilen, indem ich es einfach dachte, und dann hatte ich das Gefühl, ihn mit Geringschätzung in der Stimme antworten zu hören, fühlte, wie ein »Scheiß drauf« durch den Äther wanderte. Noch weniger konnte ich dem Inferno sagen, dass ich mehr als einmal Visionen von einem Gesicht gehabt hatte. Das erste Mal hatte ich als Kind von dem Gesicht geträumt; es war ein braun gebranntes Gesicht mit Schnurrbart, dicken Lippen und breiter Nase, das aus dunkler Leere angeschwebt kam, stechende Augen, von denen eine Aura sexueller Gewalt ausging, den Mund zu einem stummen Schrei verzerrt. Sicher ist das jedem schon passiert. Dann, eines Tages, sieht man das Gesicht auch, wenn man wach ist. Man sieht es in der Sonne. Man sieht es in den Wolken. Man sieht es im Spiegel. Man sieht es ganz deutlich, auch wenn es nicht da ist. Dann fühlt man es auch noch. Und man steht auf und fragt: »Wer ist da?« Und wenn man keine Antwort bekommt, sagt man: »Ich rufe die Polizei.« Und was ist diese Erscheinung dann, wenn sie kein Geist ist? Die wahrscheinlichste Erklärung: eine vollständig nach außen verlagerte manifestierte Idee. In meinem Gehirn wimmelten alle möglichen Dinge herum, die nur darauf warteten, nach außen zu dringen, und was noch schlimmer war, sie drangen nach außen, und ich hatte es nicht in der Hand, wann oder wie sie das taten.
Nein, warum jeden hässlichen, negativen, bekloppten, idiotischen Gedanken zur Sprache bringen, der einem durch den Kopf geht? Und darum antwortet man, wenn man am Hafen steht und der geliebte Mensch, den man zärtlich im Arm hält, fragt: »Woran denkst du?«, niemals mit: »Ich hasse alle Menschen und wünschte mir, sie würden umfallen und nie wieder aufstehen.« Glauben Sie mir, man darf es einfach nicht aussprechen. Ich weiß nicht viel über Frauen, aber das weiß ich.
Ich schlief ein, und gegen 4 Uhr morgens riss mich die schockierende Erkenntnis aus dem Schlaf, dass ich dem Flammenden Inferno nie gesagt hatte, dass Terry Dean mein Onkel war.
Ich starrte bis 8 unverwandt auf die Uhr, dann rief ich Brian an.
»Wer ist da?«
»Woher wussten Sie, dass ich Terry Deans Neffe bin?« »Jasper?«
»Woher wussten Sie es?«
»Deine Freundin hat es mir gesagt.«
»Ja, ich weiß, ich wollte mich nur vergewissern. Also, ahm... Sie und sie, das heißt...« »Was ist mit uns?«
»Sie sagte, Sie wären nur ganz kurz mit ihr zusammen gewesen.«
Er erwiderte nichts darauf. Ich hörte ihn in die Stille hineinatmen wie jemanden, der weiß, dass er am längeren Hebel sitzt, und mir blieb nur übrig, zu atmen wie jemand an einem ganz kurzen Hebel. Dann begann er, mir nicht nur von ihr und sich zu erzählen, sondern auch Dinge über sie, die sie mir verschwiegen hatte - was, wie mir schien, praktisch ihr ganzes Leben betraf: Sie war mit fünfzehn von zu Hause abgehauen und hatte zwei Monate lang mit einem Drogendealer aus Chippendale, Freddy Luxembourg, zusammengelebt. Eine Abtreibung später war sie wieder nach Hause gekommen und hatte die Schule gewechselt, und als sie sechzehn wurde, hatte sie angefangen, allein in Bars zu gehen, wo er sie kennengelernt hatte, dann war sie ein weiteres Mal von zu Hause ausgerissen und hatte ein Jahr lang bei ihm gelebt, bis sie ihn mit einer anderen Frau im Bett erwischte, woraufhin sie völlig ausflippte und zurück zu Mama und Papa rannte, die sie zum Psychologen schickten, der sie als menschliche Zeitbombe diagnostizierte, und anschließend hatte sie ihn angerufen und seltsame Nachrichten auf seinen Anrufbeantworter gesprochen über einen neuen Freund, der ihn umbringen werde, falls er ihr je im Leben wieder unter die Augen komme. Zu meiner Überraschung erfuhr ich, dass ich dieser Killerfreund war.
Ich nahm das alles relativ gefasst auf, mit dem ein oder anderen »Mhmm« zwischendurch, und versuchte, mir meine Besorgnis nicht anmerken zu lassen. Dass sie ihren früheren Freund angerufen und ihm Grobheiten auf den AB gesprochen hatte, bedeutete, dass sie
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