Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
entdeckte den stämmigen Bauunternehmer nahe des Eingangs zum Museum, wo er sich mit einem seiner Mitarbeiter besprach. Leonhard bemerkte die Journalisten im gleichen Moment und kam sofort zu ihnen an den Rand der Baustelle.
„Wurde auch Zeit, dass sich die Presse mal ansieht, womit wir es hier zu tun haben.“
„Womit haben Sie es denn zu tun?“, fragte Katja.
Der Unternehmer hob zu einem Klagelied mit den Strophen Kriegstrümmer, Bombenfunde und lausiges Wetter an. Katja erwiderte nüchtern, dass in Anbetracht der allgemein bekannten Geschichte Deutschlands bei Bauarbeiten in Innenstädten doch mit Überresten des Krieges gerechnet werden müsse und warme Temperaturen im Dezember recht selten seien.
„Wenn Sie vom Fach wären, wüssten Sie, dass die Dinge komplizierter sind, als man sich das als blutiger Laie vielleicht vorstellt“, blaffte Leonhard verärgert. „Ich nehme doch an, dass Sie wenig Erfahrung mit größeren Bauprojekten haben.“ Dass sie außerdem eine Frau sei, die aufgrund dieses Handicaps von echter Männerarbeit nichts verstehen könne, sagte er nicht, aber es klang dennoch durch.
„Ich werde Herrn Velten bitten, mir das eine oder andere bei Gelegenheit zu erklären“, gab Katja zurück.
„Das kann nicht schaden. Vielleicht fragen Sie ihn auch, wie man sich gegenüber langjährigen Anzeigenkunden benimmt.“
Es war klar, dass die beiden keine Freunde mehr werden würden.
Die Diskussion ging im gleichen Stil noch eine ganze Weile hin und her. Schließlich hielt Velten es für angebracht, die Unterhaltung abzubrechen, verabschiedete sich von Leonhard und ging mit Katja im Kielwasser über den Holzsteg.
„Was genau hast du nicht verstanden, als ich dir neulich riet, etwas diplomatischer mit gewissen Persönlichkeiten umzugehen“, fragte er seine Kollegin.
„Du hast ja recht, aber dieser Kerl bringt mich jedes Mal auf die Palme.“
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„Die Polizei war am Dienstag hier und hat mich informiert, dass man Martina gefunden hat. Es klingt vielleicht seltsam, aber ich bin froh, dass sich ihr Schicksal endlich aufgeklärt hat.“ Hannelore Hofer wischte mit einer fahrigen Handbewegung einen imaginären Krümel vom blitzsauberen Tisch. „Ich habe die Hoffnung, dass sie noch am Leben sein könnte, schon vor vielen Jahren aufgegeben. Bald werde ich mein Kind begraben können und einen Platz haben, wo ich sie besuchen kann.“
Velten fühlte sich wie ein Eindringling in einem Leben, das ihn nichts anging. Er hatte Besuche bei Hinterbliebenen schon immer gehasst. Für Boulevardjournalisten, die Angehörigen von Verunglückten oder Ermordeten auflauerten, um im Privatleben der Verstorbenen herumzuschnüffeln oder an persönliche Fotos der Toten zu kommen, hatte er nur Verachtung übrig. Leider war diese von den Kollegen der Yellow Press zynisch Witwenschütteln genannte Vorgehensweise mit dem Siegeszug des Internets für viele Revolverblätter mehr den je obligatorisch geworden. Emotionen garantierten Aufmerksamkeit und brachten Klicks, die das Medium für die Werbewirtschaft interessant machten. Gelegentliche Rügen des Presserats wurden dafür gelassen in Kauf genommen.
Jetzt saß er mit Katja in der hübschen Eigentumswohnung in einem Waldenthaler Neubauviertel und tat sich schwer damit, die knapp siebzigjährige, schmächtige Frau, die ihm bei Kaffee und Plätzchen gegenübersaß, nach ihrer toten Tochter zu befragen.
„Mein Mann hat Martinas Verschwinden nie verkraftet“, fuhr sie leise fort. „Sie war eine echte Vatertochter, sein Ein und Alles. Als sie verschwunden blieb, begann er zu trinken und machte sich das Leben selbst zur Hölle. Vor fünf Jahren ist er gestorben.“
„Frau Hofer, wir versprechen Ihnen, dass wir das Andenken Ihrer Tochter in Ehren halten werden“, sagte Velten. „Sie war eine Kollegin von uns, auch wenn weder Frau Marcks noch ich sie persönlich kannten. Der Waldenthaler Morgenkurier wird alles in seiner Macht Stehende tun, um die Polizei bei der Aufklärung des Todes von Tina zu unterstützen.“
„ Tina , das klingt so seltsam für mich. Sie hat ihren Namen aus irgendeinem Grund immer gehasst. Seit sie dreizehn war, bestand sie darauf, Tina genannt zu werden.“
„Das kann ich verstehen, ich nehme es meinen Eltern heute noch übel, dass sie mich Maximilian getauft hatten.“
Zum ersten Mal huschte der Anflug eines Lächelns über Hannelore Hofers Gesicht, doch sie wurde sofort wieder ernst: „Herr Velten, Frau Marcks, ich nehme
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