Velten & Marcks - Mordfall Tina Hofer (German Edition)
sprechen“, fuhr Velten fort.
„Die sogenannte Affäre“, hakte Meister sofort ein. „Da aus Sicht der Stadtverwaltung kein Fehlverhalten des Oberbürgermeisters oder des Personalamtes bei der Besetzung der besagten Position vorliegt, kann auch von einer Affäre keine Rede sein.“
„Nach den Unterlagen, die uns bekannt sind, ist formal tatsächlich alles korrekt verlaufen“, kam Velten dem ihm entgegen.
„Und Formalien sind nun einmal das, was in einer Verwaltung und übrigens auch bei der rechtlichen Würdigung amtlicher Entscheidungen zähl t“, insistierte der Pressesprecher.
„Aus den Reihen des Stadtrats wird mehr und mehr Kritik am Verhalten des OB in dieser Frage laut. Mehrere Ratsmitglieder, übrigens nicht nur von ganz links außen, sondern aus den Reihen Ihrer Partei, Herr Dubois, fragen sich, ob Ihnen vielleicht das politische Fingerspitzengefühl abhandengekommen sein könnte.“
Der Rathauschef machte eine wegwerfende Handbewegung: „Wenn es solche Stimmen geben sollte, dann lassen Sie mich sagen, dass ich es unanständig finde, Kritik aus dem Hinterhalt zu äußern, anstatt in einer offenen Diskussion. Wenn der eine oder andere denkt, von seinem Platz in den hinteren Reihen des Ratssaals die Dinge besonders gut beurteilen zu können, täte er seiner Fraktion einen großen Gefallen, wenn er sie an seinen Erkenntnissen teilhaben ließe, anstatt bei der Presse anzurufen. Ich habe den Eindruck, dass es diesen Leuten nur darum geht, die eigene Karriere zu fördern, indem sie die Medien für sich einnehmen.“
„Welche Parteifreunde haben Sie im Verdacht, so zu handeln?“, fragte Velten in der Hoffnung, Dubois könnte sich tatsächlich Namen entlocken lassen und dem Morgenkurier zu einer netten Schlagzeile verhelfen.
Doch Meister machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Der Pressesprecher sah betont umständlich auf die Uhr: „ Wie der Oberbürgermeister bereits erwähnte, wartet schon der nächste Termin auf uns. Wenn Sie weitere Fragen haben, können Sie sich jederzeit an mich wenden.“
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Im Anschluss an das Gespräch mit dem OB waren Velten und Katja mit Tina Hofers Mutter verabredet. Es lohnte sich nicht mehr, vorher in die Redaktion zurückzukehren. Sie beschlossen daher, sich einen aktuellen Eindruck der Baustelle am Schlossplatz zu verschaffen, der ohnehin auf dem Weg lag. Sie ließen das Rathaus hinter sich und bogen in die angrenzende Fußgängerzone ein, die sich wie ein langer Schlauch durch die Stadtmitte zog. Diese Form wirkte sich alles andere als förderlich auf die Attraktivität der Einkaufsmeile aus, denn anstatt bummelnd durch kleine Straßen und Gassen schlendern zu können, mussten sich die Kunden des Waldenthaler Einzelhandels damit begnügen, die Fußgängerzone je einmal in die eine und dann in die andere Richtung zu durchmessen. Erschwerend kam hinzu, dass die Straße ein beachtliches Gefälle aufwies, was das Shoppen, erst recht mit vollgepackten Tüten oder mit Kinderwagen, zum Fitnessprogramm machte.
Auf dem Weg hinunter zum Schlossplatz wurde Velten von zwei Einzelhändlern abgefangen. Die beiden - einer verkaufte Spielwaren, der andere Nützliches für den Haushalt - beschwerten sich wortreich über die vermeintlich unzumutbaren Einschränkungen, die von der Großbaustelle ausgingen. Tatsächlich fuhren Baufahrzeuge zwischen den Geschäften umher, drängten Kunden an die Seite und verteilten eine braune Dreckschicht vor den Schaufenstern. Außerdem, führten die Geschäftsinhaber erbost aus, habe die Innenstadt bereits zweimal für mehrere Stunden komplett abgesperrt werden müssen, weil der Kampfmittelräumdienst Munitionsreste aus der Baugrube bergen und abtransportieren musste. Velten hörte den Klagen der Kaufleute nur mit einem Ohr zu, denn die gleichen Händler hatten in den vergangenen Jahren vehement die Sanierung des Schlossplatzes gefordert.
Schließlich konnte er sich von den Querulanten lösen und erreichte mit Katja die Baustelle. Zwischen dem Heimatmuseum und dem steil in einen Hang gebauten und von zwei Treppen umrahmten Schlossbrunnen war das Pflaster und das darunter liegende Erdreich großflächig entfernt worden. Fußgänger konnten den Platz nur über einen hölzernen Steg passieren. Teilweise lagen Leitungen und Rohre offen und am Rand des Kraters waren von Stahlsträngen durchzogene Betonblöcke freigelegt worden. Dabei handelte es sich vermutlich um den Weltkriegsschutt, den Hagen Leonhard erwähnt hatte.
Er
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