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Venetia und der Wuestling

Venetia und der Wuestling

Titel: Venetia und der Wuestling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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Kaffeekanne auf den Tisch vor sie hinschmetterte.
    Waschen und eine Tasse Tee belebten sie ein wenig, und sie meinte, wenn sie sich eine halbe Stunde auf das große Himmelbett hinlegte, würde vielleicht ihr Kopfweh vergehen. Das war ihr Pech. Denn kaum hatte sie die Bettdecke über sich gezogen, als sie auch schon einschlief.
    Sie erwachte im Finstern, und als sie die Münsterglocke die Dreiviertelstunde schlagen hörte, sprang sie entsetzt auf und tastete nach der Klingelschnur neben ihrem Bett. Als das Stubenmädchen mit einer Kerze erschien, erfuhr sie zu ihrer Erleichterung, dass die Zeit doch noch nicht so weit vorgeschritten war, wie sie gefürchtet hatte. Es war drei viertel vor sieben Uhr abends. Das Stubenmädchen, eine freundliche Seele, sagte, es hätte um vier Uhr zu ihr hereingeschaut, aber gedacht, es wäre einfach eine Schande, sie aufzuwecken. Es meinte, Miss müsste Appetit auf das Abendessen haben, das gerade im Esszimmer serviert wurde. Aber obwohl Venetia geradezu heißhungrig war, bat sie das Mädchen nur, während sie in das reine Kleid schlüpfte, das sie schon früher aus ihrem Portemanteau ausgepackt hatte, zum Wirt hinunterzulaufen und bei ihm eine zweispännige Kutsche zu bestellen oder irgendein anderes verfügbares Fahrzeug, das sie unverzüglich zur Elliston Priory bringen könne.
    Venetia hatte beabsichtigt, nach der halben Stunde Erholung auf dem verräterischen Bett in Mr. Mytchetts Kanzlei vorzusprechen, denn nachdem sie ihre Karte für die Postkutsche gekauft, das Frühstück bezahlt - obwohl sie keine Zeit zu essen gehabt hatte - und dem Wächter ein Trinkgeld gespendet hatte, waren ihre Mittel derart zusammengeschrumpft, dass sie gerade noch die Rechnung im Gasthof bezahlen konnte. Das tat sie und kletterte gleich darauf in die Mietkutsche, zwar bettelarm, aber hoffnungsfroh, denn irgendjemand in der Priory - Aubrey oder Damerei oder Imber - würde die Rechnung des Postjungen schon auslegen.
    Aber Imber, der nach halb neun Uhr dieser gänzlich unerwarteten Besucherin die Tür öffnete, machte größere Stielaugen denn je bei ihrer leicht hingeworfenen Bitte, den Postjungen zu bezahlen, und wiederholte derart verblüfft: „Den Postjungen bezahlen, Miss?!", dass Venetia, ungeduldig über jede weitere Verzögerung, sagte:
    „Oh, lassen Sie nur! Seine Lordschaft wird Ihnen das Geld geben! Wo finde ich ihn?
    Ist er in der Bibliothek?"
    Imber, der sie immer noch offenen Mundes anstarrte, schüttelte langsam den Kopf.
    Eine lähmende Angst presste ihr das Herz zusammen; sie stammelte: „W...weg?
    Imber, hat er Yorkshire ver...verlassen? Stehe Er nicht da und halte Er keine Maulaffen feil! Hält Er mich für ein Gespenst? Wo ist Seine Lordschaft?!"
    Imber schluckte und antwortete: „Er ist im Speisezimmer, Miss, aber - aber er riecht nach Hullkäse, Miss Venetia! Sie hätten nicht sollen -, aber, Miss ...!"
    Da dieser Ausflug in den Dialekt Venetia völlig unverständlich war, beachtete sie den Beiklang dringenden Flehens in Imbers Stimme nicht, sondern ging schnell die Halle hinunter zum Speisezimmer. Sie öffnete die Tür, betrat das Zimmer und blieb einen Augenblick zögernd auf der Schwelle stehen, weil sie plötzlich bei aller Sehnsucht, ihren Liebsten wiederzusehen, Beklommenheit spürte.
    Den ganzen Weg nordwärts hatte sie sich diese Begegnung ausgemalt, sich gefragt, was Damerei wohl sagen und wie er dreinschauen und was sie ihm sagen würde. Es wäre ihr nicht eingefallen, dass er weder mit ihr sprechen noch sie anschauen würde oder dass ihre Begegnung in der Wirklichkeit so völlig anders ausfallen würde, als sie es sich in der Fantasie ausgemalt hatte.
    Er war allein, lümmelte in dem geschnitzten Armstuhl am Kopfende des Tisches, der eine Arm lag auf der Platte, und seine Finger hielten den Stiel eines Weinglases umklammert.
    Die Tischdecke war schon entfernt worden, und neben seinem Ellbogen stand eine halb geleerte Karaffe, der Stöpsel daneben. Damerei war schon immer gleichgültig gegen seine Erscheinung gewesen, aber noch nie hatte Venetia ihn derart unordentlich gesehen. Das Halstuch hatte er gelockert, die Weste hing offen, und sein schwarzes Haar sah aus, als wäre er in einen Sturm geraten. Er saß unbeweglich da, die Schultern gegen die hohe Rückenlehne gedrückt, die Beine lang von sich gestreckt, und sein brütender Blick war starr ins Leere gerichtet. Die harten Linien in seinem Gesicht schienen sich verschärft zu haben, und sein Hohnlächeln war noch

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