Veni, Vidi, Gucci
Fitnessstudio. Ich bin dort Mitglied geworden, um mein soziales Umfeld zu erweitern. Nach einem Jahr habe ich immerhin mit meiner Yogamatte Freundschaft geschlossen. Als ich nach einer dieser Stunden, in denen ich versuchte, meine spirituelle Seite zu entdecken (sprich: sinnlos in den Tag hineinzuträumen), das Studio verließ, sah ich auf dem Parkplatz Sureya, die selbstsicher tönte: »Ich habe sie ja nicht drinnen angezündet, sondern erst hier draußen. Was zum Teufel ist Ihr Problem?«
Eine Frau in einem teuren Sportanzug von Ellesse brüllte zurück: »Sie standen mit brennender Zigarette im Eingangsbereich, und Sie haben mir Ihren Rauch direkt ins Gesicht geblasen. Die Hausordnung besagt ausdrücklich –«
»Wissen Sie was? Lecken Sie mich am Arsch.«
»Wie bitte?«
»Sie haben mich richtig verstanden. Für so was habe ich keine Zeit. Ich muss mich jetzt um einen Drogendeal kümmern.«
Dann wandten beide die Köpfe zu mir, weil ich laut lachen musste – sie konnten mich hören, obwohl ich knapp fünfzig Meter entfernt stand. Die Ellesse-Schnepfe stapfte daraufhin wieder zurück ins Studio, wahrscheinlich um ihre Wut abzureagieren und die Folgen des Passivrauchens aus ihrem Körper zu eliminieren. Ich ging zu meinem Wagen, der praktischerweise direkt neben dem von Sureya stand.
»Sorry, es geht mich zwar nichts an«, sagte ich, »aber das war richtig so. Wenn Sie mich fragen, sollte man den Leuten viel öfter sagen, dass sie einem am A ... lecken können.«
»Ehrlich, ich weiß gar nicht, wie mir das herausrutschen konnte«, sagte Sureya mit entsetztem Gesicht – als wäre sie diejenige, die sich die Beleidigung hatte anhören müssen. »Normalerweise rede ich nicht so vulgär.«
»Manche Menschen lassen uns eben keine andere Wahl«, erwiderte ich.
»Kann schon sein ... Schätze, wenn einem die Argumente ausgehen und man den Boden unter den Füßen verliert, bleibt einem wohl nur noch, den anderen zu beschimpfen, oder?«
Wir schlossen gleichzeitig unsere Wagen auf.
»Müssen Sie sofort los, um Ihren Deal abzuwickeln?«, fragte ich.
»Nein, für einen Kaffee reicht die Zeit noch. Haben Sie Lust?«
Mag sein, dass Sureya mittlerweile das Rauchen und das Kaffee trinken aufgegeben hat, aber ihr Lächeln ist immer noch genauso herzlich wie damals.
»Hi, Fran«, sagt sie jetzt. »Du bist aber früh dran. Bist du heute Morgen gleich hier geblieben, nachdem du die Kinder abgesetzt hast?«
»Das hätte ich mal besser getan. Das wäre nämlich sinnvoller gewesen.«
»Es gibt manchmal einfach solche Tage, nicht?«, entgegnet sie, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass Sureyas Tage sich mit meinen vergleichen lassen. Ein bedeutender Unterschied ist zum Beispiel, dass sie im Gegensatz zu mir berufstätig ist. Sie gibt Theaterstunden. »Also, was ist los?«
Ich überlege, ob ich ihr erzählen soll, dass ich heute Vormittag nicht dort war, wo ich hätte sein sollen, aber da ich Sureya gegenüber von der ganzen Sache kein Wort erwähnt habe, wozu ihr jetzt was sagen? Sie braucht das nicht zu wissen. Sie braucht auch nicht zu wissen, dass ich versäumt habe, mir ein Kleid für die Geburtstagsfeier zu kaufen. Sosehr Sureya auch immer wieder beteuert, sich auf die Feier zu meinem Siebenunddreißigsten zu freuen, glaube ich nicht, dass dieses Ereignis sie so sehr beschäftigt wie mich. Ich weiß, dass ich mir etwas vormache, wenn ich glaube, dass ein teures neues Kleid mich auf wunderbare Weise verwandelt. Ich kann die ungeliebten grauen Haare nicht verstecken, genauso wenig, wie ich behaupten kann, dass das in meinem Gesicht alles Lachfalten sind – was habe ich schon zu lachen? –, und mein Bauch lässt sich nicht mehr einziehen, da kann ich noch so tief Luft holen. Mein viertes Lebensjahrzehnt rieselt mir durch die Finger wie Sand in einer Eieruhr, und ich kann nichts dagegen tun. Siebenunddreißig . Nur noch drei Jahre bis zu der legendären Schwelle, wo, wie man sagt, das richtige Leben beginnt. Wenn ich das nur glauben könnte.
»Hast du die Petition schon unterschrieben?«, fragt Sureya, nachdem ich ihre vorherige Frage mit einem Achselzucken beantwortet habe.
Sureya engagiert sich aktiv in der Lokalpolitik. Sie schreibt regelmäßig Briefe an Parlamentsmitglieder, organisiert Unterschriftenlisten und geht demonstrieren. Manchmal gelingt es ihr, mich auf eine Demo mitzuschleifen. Wie beim letzten Mal, wo wir dagegen protestierten, dass im Park ein Funksendemast aufgestellt wird. Ich kam mir total
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