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Venus allein zu Haus

Venus allein zu Haus

Titel: Venus allein zu Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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nach dem weißgoldenen Reif auf der Platte. »Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt nach Hause gehe und mich ein wenig ausruhe.« Meine Stimme scheint gar nicht zu mir zu gehören. Martin hat meinen Ring vom Boden aufgehoben und gibt ihn mir. »Danke. Dann noch einen schönen Abend alle zusammen. Ich hoffe, ich habe Sie nicht allzu sehr gestört.« Damit entblöße ich pflichtschuldigst ein weiteres Mal meine Zähne und verlasse das Real.
     
    Ich gehe nicht nach Hause. Ich denke ja gar nicht daran. Ich habe etwas ganz anderes vor: Ich werde weinen. Die ganze Nacht lang. Weinen und schnapsen.
    Aber sicher nicht in einem Lokal, in dem wir Stammgäste sind, Verzeihung, ich Stammgast bin. Nein, dazu suche ich mir einen geeigneten Laden. Genau so versifft und
trostlos, wie es dem Anlass angemessen ist. Ich laufe ein Stück die Straße hinunter. Es dämmert bereits und eine Kirchenglocke schlägt aus einiger Entfernung sechs Mal. Meine linke Hand krampft sich um die beiden Ringe, die schon schmerzhafte Abdrücke in der Innenfläche hinterlassen. Vor einer morsch aussehenden Holztür, über der ein Schild mit der Aufschrift »Zum Harry« hin- und herpendelt, bleibe ich stehen. Zum Harry. Das klingt nach so einer Kneipe, in der sich schon mittags die Kumpels treffen, um das erste Bier zu zischen und über ihre Frauen abzulästern. Und wo um sechs alle schon betrunken unter den Stühlen hängen. Könnte genau das Richtige für mich sein. Die Tür geht auf und zwei hipp gekleidete Frauen Ende zwanzig kommen heraus. Hmm, ich hatte jetzt eher aus der Form geratene Mittfünfziger erwartet. Ich luge an ihnen vorbei ins Innere des Ladens. Sieht nicht schlecht aus. Nicht gerade versifft, im Gegenteil. Hübsch, geradezu gemütlich. Egal, ich will da mal nicht so wählerisch sein. Hauptsache, mich kennt hier keiner. Ich zumindest habe diesen Laden noch nie gesehen oder davon gehört. Mein ganzer Körper schreit mittlerweile nach Alkohol, und den werde ich hier bekommen. Das ist doch das Einzige, was zählt. Ich betrete also das »Zum Harry« und sehe mich um. Die meisten Tische sind belegt, aber da will ich mich sowieso nicht hinsetzen. Eine Frau in meiner Situation gehört an den Tresen. Da ist sie nah genug an den Flaschen, die das Vergessen bringen, und außerdem kann man dem Barkeeper ein Schnitzel an die Backe labern, wenn der Pegel entsprechend angestiegen ist. Obwohl ich nicht sicher bin, ob ich diese Geschichte überhaupt mit irgendjemandem teilen möchte. In diesem Moment fällt mir Lara ein. Meine allerbeste Freundin Lara, mit der ich eigentlich alles teile. Die sich seit Jahren tapfer mein Geheule über
dieses und jenes anhört. Denn, das muss ich sagen, ich hatte in meinem bisherigen Leben nicht viel Glück mit den Männern. Bis vor zweieinhalb Jahren. Bis ich Jan kennen lernte. Da dachte ich, das Blatt habe sich gewendet. Und nun versetzt mir das Schicksal einen Tiefschlag, der seinesgleichen sucht. Eine Demütigung, die ich nicht auszusprechen wage, nicht mal gegenüber meiner besten Freundin. Jedenfalls noch nicht. Und auch Bernd, meinen besten Freund, will ich nicht anrufen. Der würde mich wieder mitleidig ansehen, in die Arme nehmen und in mein Haar hineinflüstern: »Warum hast du eigentlich niemals Glück mit den Männern, Lenchen? Irgendwas machst du falsch.« Exakt diese Worte habe ich in den letzten fünfzehn Jahren, seit denen ich Bernd kenne, so oft gehört – ich könnte es nicht ertragen, den Fehler in diesem Fall bei mir zu suchen. Außerdem hasse ich es, dass Bernd mich hartnäckig Lenchen nennt. Ich sehe schon, ich werde allein mit meinem Schicksal hadern müssen. Ich brauche was zu trinken. Sofort! Also hänge ich meine Tasche über einen der braunen abgeschabten Barhocker und setze mich dann obendrauf. Ja, das mag paranoid klingen, aber nachdem mir an einem Kneipenabend vor knapp drei Jahren mein gesamtes Hab und Gut geklaut worden ist, bin ich vorsichtiger geworden. Der Bursche hinter dem Tresen poliert gerade ein Weinglas und grinst mich an:
    »Hi!«
    »Hi«, gebe ich zurück. Das könnte schon eher der Märchenprinz sein. Hübscher Kerl. Trägt ein enges schwarzes T-Shirt und eine schmal geschnittene helle Jeans. Seine Augen sind unverschämt blau, die zotteligen braunen Haare und der Drei-Tage-Bart geben ihm was Verwegenes. Aber ich bin schließlich nicht zum Vergnügen hier. Ich muss Trauerarbeit leisten. Sagt Sophia. Wie alt mag er
sein? Ende zwanzig? Der wird sich vermutlich nicht meine

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