Venus allein zu Haus
sein könnte. Sie trägt mittlerweile einen ziemlich großen Bauch vor sich her, umklammert seinen Arm und himmelt ihn von unten herauf an. Würg. Mühsam reiße ich meinen Blick von den beiden los und konzentriere mich stattdessen auf Lara, die gemessenen Schrittes am Arm ihres Vaters auf den Altar zuschreitet. Man kann förmlich spüren, dass alle von ihrer Schönheit geblendet sind. Manuel sieht aus, als würde er gleich anfangen zu weinen, und angesichts der Tränen, die schon jetzt Laras Gesicht herunterkullern, beglückwünsche ich mich zu der Entscheidung, ihr ein wasserfestes Make-up zu verpassen. Was ich selber glücklicherweise auch benutzt habe. Ich kriege vor lauter Heulen kaum etwas von der Trauungszeremonie mit. So viel ist sicher: Beide sagen aus vollem Herzen Ja zueinander, und als sie sich nach dem Eheversprechen küssen, fängt jemand schräg hinter mir an, zu applaudieren.
»Das ist Bernd«, schießt es mir sofort durch den Kopf, und dann: »Applaus in der Kirche, das kann nicht sein Ernst sein.« Die anderen Gäste sehen das völlig anders, sie fallen begeistert in den Beifall mit ein und irgendjemand ruft sogar laut:
»Bravo!« Lara errötet und sieht dadurch noch betörender aus, während Manu verschmitzt in unsere Richtung grinst. Ach, ist das schön. Wir alle werden vom Pastor, der selber richtig Spaß an dieser Trauung zu haben scheint, gesegnet und dann zieht das Brautpaar zu den Klängen des Pachelbel-Chaconnes aus der Kirche aus. Und beide sehen unbeschreiblich glücklich aus. Vor der Kirche bildet sich eine Schlange von Leuten, die dem Brautpaar gratulieren wollen. Meine Schwester stürzt sofort auf mich zu und fällt mir strahlend um den Hals.
»War das nicht wunderschön«, schwärmt sie, »ich kann es nicht fassen, dass Paul keine kirchliche Hochzeit wollte. Ich lasse mich sofort scheiden«, beschließt sie und fügt mit einem Seitenblick auf Bernd hinzu: »Und meine nächste Hochzeit muss genau so werden wie diese hier.« Obwohl ich sie am liebsten erwürgen würde, nicke ich freundlich und wende mich dann an Bernd.
»Hallo«, sage ich schüchtern, aber er nickt nur knapp und gar nicht freundlich. Jackie guckt ein wenig verwirrt von einem zum anderen, aber sie kreist ja zum Glück viel zu sehr um sich selbst. Ich bleibe noch eine Weile bei den beiden stehen und unterhalte mich mit Jackie über die bevorstehende Geburt, um Bernd die Gelegenheit zu geben, mich vielleicht doch noch irgendwie wahrzunehmen. Oder die drei Kilo, die ich verloren habe, seit er mir die Freundschaft gekündigt hat.
»Die hat er mit Sicherheit zur Kenntnis genommen«, stellt Sophia ruhig fest, die in dezentem, doch hochzeitsgerechtem Nadelstreifenkostüm neben mir steht, »aber wahrscheinlich hat er sich ganz bewusst dagegen entschieden, sich von dir psychologisch erpressen zu lassen.«
»Ich will hier überhaupt niemanden erpressen. Ich habe einfach wenig Appetit in letzter Zeit«, erkläre ich lapidar, als würden weder Sophia noch ich meine Krankengeschichte der letzten vierzehn Jahre kennen. Zum Glück bleibt keine Zeit für eine Grundsatzdiskussion, denn jetzt sind wir endlich dran mit gratulieren und danach geht es auf in Richtung Festsaal.
Es ist ein rauschendes Fest. Einfach großartig. Als Trauzeugin habe ich sozusagen die organisatorische Leitung übernommen und habe alle Hände voll zu tun, die künstlerischen Beiträge und Spiele zwischen den einzelnen Gängen
zu koordinieren. Und ich bin wirklich froh über diese Beschäftigung. So bleibt mir wenigstens nicht allzu viel Zeit, Jackie und Bernd zu beobachten. Und ich kann auch nicht ständig darüber nachgrübeln, dass ich es von Jan eigentlich überhaupt nicht toll finde, dass er mich alleine auf diese Hochzeit hat gehen lassen. Berufliche Zukunft hin oder her, heute hätte er mal die Möglichkeit gehabt, ein Zeichen zu setzen. Im Nachhinein betrachtet ärgere ich mich nämlich ein bisschen darüber, mich ihm derart kampflos wieder in die Arme geworfen zu haben. Im Grunde haben wir unsere Beziehung schlicht dort wieder aufgenommen, wo wir sie beendet haben, mit dem kleinen Unterschied, dass ich mir jetzt die ganze Zeit vorkomme, als würde ich auf Eiern laufen in der Angst, eins meiner schlimmen früheren Vergehen zu wiederholen. Frustriert fülle ich mein Glas erneut mit Weißwein und leere es in einem Zug. Nein, wirklich, er hätte seinen Termin absagen müssen. Das wäre eine gute Gelegenheit gewesen zu beweisen, dass auch er an dieser
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