Venus allein zu Haus
darf.
Den nächsten Vormittag verbringe ich damit, einigerma ßen Ordnung in den vernachlässigten Haushalt zu bringen. Am liebsten hätte ich damit ja schon gestern angefangen, aber ich wollte nicht vor Jan beginnen, den überladenen Couchtisch, auf dem sich leere Chipstüten, Gläser und Aschenbecher neben alten Zeitschriften und Büchern stapelten, aufzuräumen. Auch an den Wollmäusen hinter der Couch und unter dem Bücherregal konnte ich nur schwer vorbeisehen. Du liebe Güte, ich bin wirklich zwanghaft, denke ich, während ich mit dem Hausputz beginne. Jan ist schon früh zur Arbeit aufgebrochen, sodass ich die Wohnung für mich habe. Am Nachmittag bin ich mit Lara verabredet, um ihr Brautkleid von der Schneiderin abzuholen, die noch die letzten Änderungen vorgenommen hat. Während ich den Kalk von der Spüle schrubbe überlege ich, wie ich Bernd meine Entscheidung am besten verständlich machen soll. Das ist gar nicht so einfach. Wie soll ich ihm erklären, dass zwei Menschen in einer so langen Beziehung einfach zusammenwachsen? Dass die Liebe so tief wird, dass selbst starke Verletzungen sie nicht rückstandslos zerstören können? Dass ich deshalb gar nicht anders konnte, als Jan noch mal eine Chance zu geben. Seufzend mache ich mich über das Ceranfeld des Herdes her, das ebenfalls schon bessere Zeiten gesehen hat. Er wird das nicht verstehen. Er hatte ja noch nie eine so lange Beziehung. Nicht einmal annähernd. Aber trotzdem werde ich es versuchen.
Nach meiner Verabredung mit Lara fahre ich deshalb auf die Reeperbahn und klingele bei der WG.
»Wer ist da«, erklingt Jackies Stimme aus der Gegensprechanlage.
»Ich bin’s, Helen.« Der Summer ertönt und eine Minute
später umarme ich meine mittlerweile ziemlich runde Schwester. »Wie geht’s dir? Und dem Kleinen«, frage ich und streichele ihren dicken Bauch.
»Uns geht es gut. Und dir auch wieder, wie ich höre?« Ich nicke und sage:
»Jaja. Sag mal, ist Bernd da?«
»Da hast du aber Glück, er hat sich heute freigenommen. Im Wohnzimmer«, nickt sie und geht voran.
»Bernd. Helen ist hier.«
»Kannst du uns alleine lassen«, bitte ich sie, und sie nickt und verschwindet. »Hallo«, sage ich zaghaft zu Bernd, der auf der Couch sitzt, die Füße auf dem Tisch und die Fernbedienung in der Hand.
»Hallo. Ich habe eigentlich keine große Lust, mit dir zu reden, Helen. Was ist denn?«
»Lass es mich doch erklären«, sage ich bittend.
»Ich will es nicht hören.« Er schaut mich kurz an und wendet dann seinen Blick wieder auf den Fernseher. Seine Augen sind irgendwie so rot. Das kann doch nicht sein.
»Hast du geweint?«, frage ich ihn erschrocken.
»Auch ich habe Gefühle«, sagt er bitter. »Verschwinde, ich meine es ernst.«
»Aber …«
»Ich sage doch, ich will nichts hören. Für mich zählt nur eins: Dass du zu dieser Knalltüte zurückgegangen bist. Mehr muss ich nicht wissen. Und jetzt geh.«
»Versuch doch, mich zu verstehen«, flehe ich ihn an, da steht er plötzlich auf und kommt auf mich zu. Er fasst mich an den Schultern, sieht mir in die Augen und sagt:
»Seit ich dich kenne, versuche ich nichts anderes. Und jetzt kann ich nicht mehr. Also gehst du jetzt oder nicht?«
»Nein«, flüstere ich.
»Dann gehe ich eben«, sagt er fast gleichmütig, lässt mich los und verlässt die Wohnung. Mit einem lauten Knall fällt die Tür hinter ihm ins Schloss. Langsam setze ich mich auf die Couch und versuche, nicht zu weinen.
»Den biste los«, bringt Sophia es auf den Punkt, und ich schaue sie verstört an. In dem Moment steckt Jackie ihren Kopf durch die Tür:
»Nanu, wo ist denn Bernd?«, fragt sie überrascht.
»Musste weg«, bemühe ich mich um einen gleichgültigen Ton.
»Komisch. Wohin denn?«
»Keine Ahnung. Hast du eigentlich was von Paul gehört?«, frage ich in der Hoffnung, ein Thema getroffen zu haben, über das sie sich lang und breit auslassen kann. Ich möchte, ich kann jetzt nicht über Bernd reden. Auf keinen Fall darf meine Schwester von diesem ganzen Desaster erfahren. Vor allem nicht, dass ich es geschafft habe, meinen besten Freund so sehr zu verletzen, dass er wahrscheinlich nie wieder ein Wort mit mir wechseln wird. Während Jackie tatsächlich anfängt davon zu erzählen, wie Paul täglich SMS und Blumen schickt, grübele ich weiter über mein Schicksal. Wie konnte ich nur so blöd sein? Ja doch, ich habe Bernd dafür verflucht, dass er sich in mich verliebt und mich damit in eine blöde Lage gebracht
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