Venus im Pelz
häßliche Szene von gestern zu vergessen«, sprach sie mit bebender Stimme, »ich habe Ihnen Ihre tolle Phantasie erfüllt, jetzt wollen wir vernünftig sein und glücklich und uns lieben, und in einem Jahr bin ich Ihre Frau.«
»Meine Herrin«, rief ich, »und ich Ihr Sklave!«
»Kein Wort mehr von Sklaverei, von Grausamkeit und Peitsche«, unterbrach mich Wanda, »ich passiere Ihnen von dem allen nichts mehr, als die Pelzjacke; kommen Sie und helfen Sie mir hinein.«
Die kleine Bronzeuhr, auf welcher ein Amor steht, der eben seinen Pfeil abgeschossen hat, schlug Mitternacht.
Ich stand auf, ich wollte fort.
Wanda sagte nichts, aber sie umschlang mich und zog mich auf die Ottomane zurück und begann mich von neuem zu küssen, und diese stumme Sprache hatte etwas so Verständliches, so Überzeugendes –
Und sie sagte noch mehr, als ich zu verstehen wagte, eine solche schmachtende Hingebung lag in Wandas ganzem Wesen und welche wollüstige Weichheit in ihren halbgeschlossenen, dämmernden Augen, in der unter dem weißen Puder leicht schimmernden roten Flut ihres Haares, in dem weißen und roten Atlas, welcher bei jeder Bewegung um sie knisterte, dem schwellenden Hermelin der Kazabaika, in den sie sich nachlässig schmiegte.
»Ich bitte dich«, stammelte ich, »aber du wirst böse sein.«
»Mache mit mir, was du willst«, flüsterte sie.
»Nun, so tritt mich, ich bitte dich, ich werde sonst verrückt.«
»Habe ich dir nicht verboten«, sprach Wanda strenge, »aber du bist unverbesserlich.«
»Ach! ich bin so entsetzlich verliebt.« Ich war in die Knie gesunken und preßte mein glühendes Gesicht in ihren Schoß.
»Ich glaube wahrhaftig«, sagte Wanda, nachsinnend, »dein ganzer Wahnsinn ist nur eine dämonische, ungesättigte Sinnlichkeit. Unsere Unnatur muß solche Krankheiten erzeugen . Wärst du weniger tugendhaft, so wärst du vollkommen vernünftig.«
»Nun, so mach' mich gescheit«, murmelte ich. Meine Hände wühlten in ihrem Haare und in dem schimmernden Pelz, welcher sich, wie eine vom Mondlicht beglänzte Welle, alle Sinne verwirrend, auf ihrer wogenden Brust hob und senkte.
Und ich küßte sie – nein, sie küßte mich, so wild, so unbarmherzig, als wenn sie mich mit ihren Küssen morden wollte. Ich war wie im Delirium, meine Vernunft hatte ich längst verloren, aber ich hatte endlich auch keinen Atem mehr. Ich suchte mich loszumachen.
»Was ist dir?« fragte Wanda.
»Ich leide entsetzlich.«
»Du leidest?« – sie brach in ein lautes, mutwilliges Lachen aus.
»Du kannst lachen!« stöhnte ich, »ahnst du denn nicht –«
Sie war auf einmal ernst, richtete meinen Kopf mit ihren Händen auf und zog mich dann mit einer heftigen Bewegung an ihre Brust.
»Wanda!« stammelte ich
»Richtig, es macht dir ja Vergnügen, zu leiden«, sprach sie und begann von neuem zu lachen, »aber warte nur, ich will dich schon vernünftig machen.«
»Nein, ich will nicht weiter fragen«, rief ich, »ob du mir für immer oder nur für einen seligen Augenblick gehören willst, ich will mein Glück genießen; jetzt bist du mein und besser dich verlieren, als dich nie besitzen.«
»So bist du vernünftig«, sagte sie und küßte mich wieder mit ihren mörderischen Lippen, und ich riß den Hermelin, die Spitzenhülle auseinander und ihre bloße Brust wogte gegen die meine.
Dann vergingen mir die Sinne. –
Ich erinnere mich erst wieder auf den Augenblick, wo ich Blut von meiner Hand tropfen sah und sie apathisch fragte: »Hast du mich gekratzt?«
»Nein, ich glaube, ich habe dich gebissen.«
Es ist doch merkwürdig, wie jedes Verhältnis des Lebens ein anderes Gesicht bekommt, sobald eine neue Person hinzutritt.
Wir haben herrliche Tage zusammen verlebt, wir besuchten die Berge, die Seen, wir lasen zusammen und ich vollendete Wandas Bild. Und wie liebten wir uns, wie lächelnd war ihr reizendes Antlitz.
Da kommt eine Freundin, eine geschiedene Frau, etwas älter, etwas erfahrener und etwas weniger gewissenhaft als Wanda, und schon macht sich ihr Einfluß in jeder Richtung geltend.
Wanda runzelte die Stirne und zeigt mir gegenüber eine gewisse Ungeduld.
Liebt sie mich nicht mehr?
Seit beinahe vierzehn Tagen dieser unerträgliche Zwang. Die Freundin wohnt bei ihr, wir sind nie allein. Ein Kreis von Herren umgibt die beiden jungen Frauen. Ich spiele als Liebender mit meinem Ernste, meiner Schwermut eine alberne Rolle. Wanda behandelt mich wie einen Fremden.
Heute, bei einem Spaziergange,
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