Venus und ihr Krieger
und die umstehenden Männer murrten. Sie wollten einen Kampf sehen und kein taktisches Geplänkel. Aber Velox ließ sich nicht beirren. Er sah den Schweiß auf dem Gesicht des Jungen und bemerkte, wie viel Kraft er in seine Angriffe steckte. Komm, du wilder Germane, frohlockte Velox. Ich habe keine Angst vor deinen furchterregenden Angriffen. Es ist nur die Energie deiner Muskeln. Du vergisst, dein Hirn zu nutzen. Das ist dein Fehler, dein tödlicher Fehler. Komm doch und vergeude deine Kraft!
Die untergehende Sonne tauchte die beiden kämpfenden Gestalten in ein unwirkliches, rotes Licht. Wie Giganten aus der Götterwelt umtanzten sie sich und die Erde bebte unter ihnen. Langsam ließ die Kraft des jungen Helvetiers nach und Velox stellte sich nun seinen Angriffen. Die Schwerter krachten aufeinander, als er die Hiebe parierte. Noch war es eine reine Verteidigung, die Velox praktizierte. Sein Gegner keuchte und verzerrte wütend das Gesicht. Mit aller Gewalt warf er sich in die Angriffe, doch er kam seinem Ziel nicht näher, den seltsamen Fremden zu verwunden oder eine schwache Stelle zu entdecken. Entweder parierte er die Hiebe oder wich ihnen aus. Diese Kampfesart missfiel ihm, er war sie nicht gewohnt.
Langsam wurde Velox des Spiels überdrüssig, nur verschwommen sah er Sigrun mit gefalteten Händen hinter den Umsitzenden stehen. Ihre Augen starrten gebannt auf die Kämpfer. Ein heißes Gefühl durchflutete Velox. So hatte sie in der Loge des Valerius gestanden und zu ihm heruntergeblickt und – er hatte gesiegt! Er hatte für sie gesiegt!
»Schluss mit dem Tänzchen!«, rief Velox. »Ich bin nicht deine Braut, die du umhüpfen kannst wie ein Ziegenbock«, höhnte er und bemerkte zufrieden, dass sein Gegner wieder in Wut geriet. »Jetzt werde ich dir mal zeigen, wie Götter kämpfen!«
Oh, Velox, nimm den Mund nicht so voll, flüsterte Sigrun tonlos und presste wieder ihre Hände zusammen.
Velox wich zwei, drei Angriffen aus, parierte die nächsten und wich wieder aus. Dann erhob er sein Schwert zum Himmel.
»Lug, gib mir die Kraft!«, brüllte er. Im gleichen Augenblick schoss ein gelber Strahl der untergehenden Sonne zwischen zwei Felszacken des Berges hindurch und traf auf die Spitze seines Schwertes. Ein greller Blitz zuckte auf dem Metall und blendete die Umstehenden und seinen Gegner. Sie schrien erschrocken auf. Mit der Geschmeidigkeit einer Pantherkatze sprang Velox nach vorn und hieb in rasendem Tempo auf den Jungen ein. Überrascht und verwirrt wehrte er die prasselnden Schläge ab. Blut spritzte auf, Velox hatte ihn mehrmals getroffen. Nun warf er blitzschnell sein Schwert in die linke Hand und griff weiter an. Irritiert suchte der Junge die Waffe, die plötzlich aus einer ganz anderen Richtung hervorschoss. In Todesangst schrie er auf. Noch wehrte er sich und versuchte, die ungewohnten Schläge von links zu parieren. Doch schon befand sich das Schwert wieder in Velox’ rechter Hand und die Waffe des Gegners flog in hohem Bogen davon. Der Junge taumelte rückwärts und stürzte.
Velox sprang vor und hob sein Schwert mit beiden Händen, die Spitze auf die Brust des vor ihm liegenden Jungen gerichtet. Ein Aufschrei des Entsetzens ging durch die Zuschauer.
»Halt!« Sigruns helle Stimme übertönte alle und Velox hielt ein. Fragend blickte er auf. Nein, er stand nicht in der Arena von Rom, er war kein Gladiator und niemand bejubelte ihn.
»Er hat sein Leben verwirkt, doch die Götter gewähren Gnade. Erhebe dich, Junge, und erweise dem Sieger deine Reverenz!«
Sigrun trat in den Kreis und blickte die Zuschauer an, die stumm dasaßen und sie anstarrten. »Er behält sein Leben, wenn ihr uns einen Wunsch gewährt.«
»Wir werden dir jeden Wunsch erfüllen«, murmelte der Bauer. »Wir werden noch heute Abend ziehen. Gib uns deinen Schlitten! Dafür geben wir dir das Leben deines Sohnes.«
Der Bauer warf sich vor Sigrun in den Schnee. »Dieser Wunsch soll dir sofort erfüllt werden«, rief er und die Knechte eilten davon, um die Pferde vor den aus Zweigen geflochtenen Schlitten zu spannen. Die Mägde trugen die Bündel herbei, während Velox sich ankleidete.
»Und du«, sagte Sigrun hart und zeigte auf Jiwiga, »wirst diesen jungen Kämpfer zum Manne nehmen, und zwar noch in diesem Monat. Denn du hast einen Verrat begangen, den dir die Götter nicht vergessen werden. Solltest du deinem Mann nur ein einziges Mal untreu werden, dann wirst du im Moor versinken, wo du auf ewig verfaulst. – Und
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