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Venusblut - Schreiner, J: Venusblut

Venusblut - Schreiner, J: Venusblut

Titel: Venusblut - Schreiner, J: Venusblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Schreiner
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und besaß die Form eines Flügels. Jetzt, da Sophia die Vorlieben Madame Hazards kannte, ergaben viele Details der Hauseinrichtung einen Sinn. In einem Punkt hatte Sophia ihrer Herrin die Wahrheit verschwiegen: Einmal war sie doch abends fort gewesen. Der Küchenjunge,hatte sie mitgenommen, wohl in der Hoffnung, ihr imponieren zu können. Es war gründlich danebengegangen. Dem Küchenjungen wurde der Ausschank von Alkohol verweigert. Sophia musste schließlich an die Theke gehen und zwei Krüge Ale kaufen. Sie prosteten sich zu, leerten ihre Gläser in einem Zug und schwiegen sich unbehaglich an. Der Küchenjunge verabschiedete sich kurz darauf peinlich berührt. Sophia blieb. Sie kam nicht umhin, den Gesprächen im Pub zu lauschen, die sich fast sämtlich um Madame Hazard drehten.
    »Eine Hexe is sie, jawohl«, grölte ein dicker Mann in verschlissener Kleidung.
    »Würde zu gerne wissen, was sie da in ihrem Anwesen so treibt«, fügte ein anderer Gast hinzu, dem die Schiebermütze schief auf dem Kopf saß.
    »Der Pastor hat erzählt, sie käme ihm unheilig vor. Verflucht irgendwie.«
    »Ihr Mann is ja nich von ungefähr gestorben.«
    Die Bedienung, eine magere Frau um die Vierzig, raunte den Leuten an der Theke etwas zu. Alle Köpfe drehten sich in Sophias Richtung. Sie fühlte sich sehr einsam in diesem Moment.
    Der dicke Wortführer maß sie mit einem halb mitleidigen, halb missbilligenden Blick.
    »Mädchen, wenn ich du wär, würde ich meine Siebensachen packen und in `nem anständigen Haus Arbeit suchen.«
    Sophia nickte scheu und ging. Seit diesem Abend hatte sie nie wieder einen Fuß in die Stadt gesetzt. Aber sie war aufmerksam, denn die Unterstellung, Madame Hazard sei eine Hexe, vergaß sie nicht. Tatsächlich fand sie überall im Haus bizarre Zeichen. Auf Böden, auf Bildern und sogar an den Fensterrahmen. Sophia fand eine Erklärung, die sie die folgenden drei Wochen zufriedenstellte: Madame liebte exotische Dinge, die aus den Kolonien kamen.
    Während sie duftendes Öl ins Badewasser gab, fiel diese Erklärung wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Neben ihr stand ein Engel, oder zumindest etwas Ähnliches. Dieses Mal sah sie Marcellus ohne Angst in die Augen. »Halten Sie Madame Hazard für eine Hexe?«
    »Nein«.
    Marcellus ließ sich ins Wasser gleiten, dabei entfaltete er seine Flügel Die matte Oberfläche des Metalls spiegelte kaum das Kerzenlicht wider. Mystische Symbole reihten sich an den Flügelrändern aneinander. Sophia musste an Schriftzeichen einer uralten, und längst vergessenen, Sprache denken. Der Großteil der metallenen Fläche war unverziert. Sophia mutmaßte, dass die Spannweite der Flügel größer war, als der Abstand zwischen ihren weit ausgestreckten Armen.
    Wer sich wohlig seufzend in einer heißen Wanne räkelt, kann nicht von Grund auf böse sein, gestand sich Sophia ein, angetan von dem hinreißend entspanntenGesichtsausdruck ihres Gegenüber. Die Entspannung nahm ihm viel von seiner markanten Optik, ließ ihn weniger maskulin und gefährlich wirken. Schließlich siegte ihre Neugier. Sie stieg zu dem Engel ins Wasser und wurde von seinen Armen empfangen. Er zog sie eng an seine Brust. Sein Herz schlug kraftvoll und gleichmäßig. Marcellus umschloss Sophias Gesicht mit seinen Händen und bedeckte es mit zarten Küssen. Sophia schloss die Augen und seufzte wohlig auf.

    Elenas Kittel sah schon nach einer Stunde wieder so aus, als habe sie ihn nie gewaschen. Clara stand neben ihr und trat von einem Fuß auf den anderen.
    »Spuck‘ s aus«, sagte Elena unwirsch.
    »Der Boss ist gerade gekommen, und sie war nicht begeistert von den drei Neuzugängen.«
    »Wir können nicht mehr als arbeiten.«
    »Was ich dir eigentlich sagen wollte, ist, dass sie dich in ihrem Büro sehen will.«
    Elena versuchte in Claras Gesicht zu lesen. Die runden Augen sahen mitleidig aus.
    »Clara, du kommst mit.«
    Das Mitleid wurde von purem Entsetzen abgelöst.
    »Aber …«
    »Keine Widerrede, du bist meine Assistentin. Du hast ein Recht darauf zu erfahren, was der Boss von uns will.«
    Schweigend marschierten sie zu jenem Büro, das unter den Angestellten die »Folterkammer« genannt wurde. Elena erspähte den roten Schopf des Bosses hinter der Milchglasscheibe, auf der schlicht Madame Hazard stand. Elena klopfte und trat ein.
    »Gut, dass Sie da sind.«
    »Madam, Sie wollten mich sprechen?«, gab Elena zurück. Sie weigerte sich, ihren Boss mit der französischen Anrede anzusprechen. Auch, wenn es

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