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Verblendung

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Titel: Verblendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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Erwachsenen, Straßengewimmel mit Würstchenverkäufern, der Festzug selbst, ein Artist aus Hedestad auf der Bühne und eine Art Preisverleihung. Nach sechs Stunden hatte er eine Mappe mit neunzig Bildern zusammen. Er würde noch einmal zum Hedestads-Kuriren kommen müssen.
    Gegen neun Uhr abends rief er Maja Blomberg an, bedankte sich und fuhr nach Hause auf die Hedeby-Insel.
    Am Sonntagmorgen um neun war er wieder da. Das Bildarchiv war immer noch menschenleer, als Maja Blomberg ihn hineinließ. Er wusste, dass Pfingstferien waren und die Zeitung erst wieder am Dienstag erscheinen würde. Er durfte denselben Arbeitstisch benutzen wie tags zuvor und verbrachte den ganzen Tag mit Scannen. Gegen sechs Uhr abends waren ungefähr noch vierzig Bilder vom »Tag des Kindes« übrig. Mikael hatte das uninteressante Material aussortiert. Was er hingegen eingescannt hatte, waren das Treiben auf der Straße und die Menschenmengen.
     
    Am Pfingstmontag ging Mikael das neue Bildmaterial genauestens durch. Er machte zwei Entdeckungen. Die erste bestürzte ihn. Die andere ließ seinen Puls in die Höhe schnellen.
    Die erste Entdeckung war das Gesicht in Harriet Vangers Fenster. Das Bild war leicht verwackelt und deshalb bei der ersten Sichtung verworfen worden. Der Fotograf hatte wohl auf dem Hügel bei der Kirche gestanden und in Richtung Brücke geblickt. Die Gebäude lagen im Hintergrund. Mikael beschnitt das Bild so, dass nur das Fenster übrig blieb, und experimentierte dann mit Veränderungen der Kontraste und der Tiefenschärfe, bis er seiner Meinung nach die bestmögliche Qualität erreicht hatte.
    Das Resultat war ein körniges Bild mit minimaler Grauskala, das ein rechteckiges Fenster und eine Gardine zeigte, sowie ein diffuses halbmondförmiges Gesicht ein Stück weiter hinten im Raum.
    Er konnte feststellen, dass das Gesicht nicht Harriet gehörte, die pechschwarzes Haar hatte, sondern einer Person mit wesentlich hellerer Haarfarbe.
    Er stellte außerdem fest, dass er dunklere Partien unterscheiden konnte, wo sich Augen, Nase und Mund befinden mussten, aber es war unmöglich, deutliche Gesichtszüge auszumachen. Er war jedoch sicher, eine Frau zu sehen - die hellere Partie neben dem Gesicht setzte sich bis auf Schulterhöhe fort und ließ langes Haar erahnen. Er konnte erkennen, dass die Person helle Kleidung trug.
    Er schätzte ihre Größe im Verhältnis zum Fenster, die Frau musste ungefähr 1 Meter 70 groß sein.
    Als er die anderen Bilder vom Brückenunfall durchklickte, bemerkte er, dass eine Person sehr gut mit den Merkmalen übereinstimmte, die er aus dem Foto herausgelesen hatte - die zwanzigjährige Cecilia Vanger.
     
    Kurt Nylund hatte insgesamt achtzehn Bilder vom Fenster im ersten Stock bei Sundströms Herrenmode aufgenommen. Auf siebzehn von ihnen war Harriet Vanger zu sehen.
    Harriet und ihre Schulfreunde waren gerade auf der Bahnhofstraße angekommen, als Nylund anfing zu fotografieren. Mikael schätzte, dass die Bilder in einem Zeitraum von knapp fünf Minuten aufgenommen worden waren. Auf dem ersten Bild gingen Harriet und ihre Freunde die Straße hinunter. Auf den Bildern 2 bis 7 standen sie da und sahen dem Festzug zu. Danach waren sie ungefähr sechs Meter weiter gegangen. Auf dem letzten Bild, das wahrscheinlich etwas später gemacht worden war, war die ganze Gruppe verschwunden.
    Mikael bearbeitete eine Serie Bilder, indem er die obere Hälfte von Harriet ausschnitt und möglichst große Kontraste herausarbeitete. Er legte die Bilder in einen bestimmten Ordner, öffnete das Graphic-Converter-Programm und startete die Bildpräsentation. Der Effekt war der eines ruckartig ablaufenden Stummfilms, bei dem jedes Bild zwei Sekunden lang gezeigt wird.
    Harriet kommt an, Aufnahme im Profil. Harriet bleibt stehen und blickt die Straße hinunter. Harriet dreht das Gesicht zur Straße. Harriet öffnet den Mund, um etwas zu einer Freundin zu sagen. Harriet lacht. Harriet fasst sich mit der linken Hand ans Ohr. Harriet lächelt. Harriet sieht plötzlich überrascht aus, ihr Gesicht ist auf einen Fleck ungefähr zwanzig Grad links neben der Kamera gerichtet. Harriet reißt die Augen auf und hört auf zu lachen. Harriets Mund wird zu einem schmalen Strich. Harriet schaut genau hin. In ihrem Gesicht sieht man … was? Schmerz, Schock, Zorn? Harriet schlägt die Augen nieder. Harriet ist weg.
    Mikael spielte die Sequenz immer und immer wieder ab.
    Sie bekräftigte sehr deutlich die Theorie, die er aufgestellt

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