Verblendung
um lebende Menschen ging. Und jetzt saß der Gegenstand ihres Hobbys plötzlich in der Küche und lud sie zum Frühstück ein.
»Ich habe ein faszinierendes Problem«, begann Mikael. »Sagen Sie, als Sie mich für Frode überprüften, wussten Sie da, wozu der Bericht verwendet werden sollte?«
»Nein.«
»Frode wollte Informationen über mich, weil er, oder besser gesagt sein Auftraggeber, mich engagieren wollte.«
»Aha.«
Er schenkte ihr ein schwaches Lächeln.
»Irgendwann werden Sie und ich uns auch noch mal über die moralischen Aspekte dessen unterhalten, dass Sie in anderer Menschen Privatleben herumschnüffeln. Aber im Moment habe ich ein ganz anderes Problem … Der Job, den man mir gegeben hat und den ich aus unerfindlichen Gründen angenommen habe, ist der bizarrste Auftrag, den ich jemals bekommen habe. Kann ich Ihnen vertrauen, Lisbeth?«
»Wie bitte?«
»Dragan Armanskij behauptet, dass Sie absolut zuverlässig sind. Aber ich frage Sie trotzdem. Kann ich Ihnen Geheimnisse anvertrauen, ohne dass Sie sie weitergeben? An niemanden.«
»Warten Sie mal. Sie haben also mit Dragan gesprochen - hat er Sie zu mir geschickt?«
Ich mach dich fertig, du verdammter Armenier.
»Na ja, nicht direkt. Sie sind nicht die Einzige, die sich eine Adresse besorgen kann, das habe ich ganz allein gemacht. Ich habe beim Einwohnermeldeamt nachgefragt. Es gibt drei Personen namens Lisbeth Salander, und die anderen zwei kamen nicht infrage. Aber ich habe gestern mit Armanskij Kontakt aufgenommen, und wir haben uns lange unterhalten. Auch er glaubte zuerst, ich wäre gekommen, um Ärger wegen Ihrer Schnüffeleien in meinem Privatleben zu machen, aber zum Schluss konnte ich ihn überzeugen, dass ich ein ganz legitimes Anliegen habe.«
»Und das wäre?«
»Frodes Auftraggeber hat mich, wie gesagt, für einen Job engagiert. Ich bin mittlerweile an einen Punkt gekommen, an dem ich so schnell wie möglich die Hilfe eines kompetenten Ermittlers brauche. Frode hat mir von Ihnen erzählt und sagte, Sie seien kompetent. Es ist ihm einfach so rausgerutscht, und auf die Art habe ich erfahren, dass Sie Nachforschungen zu meiner Person angestellt haben. Gestern habe ich mit Armanskij geredet und ihm erklärt, was ich brauche. Er hat das Ganze abgenickt und dann versucht, Sie anzurufen, aber Sie sind nicht ans Telefon gegangen, und dann … Hier bin ich. Sie können Armanskij anrufen und alles überprüfen, wenn Sie wollen.«
Lisbeth Salander brauchte ein paar Minuten, bis sie ihr Handy unter den Kleidern fand, von denen Mimmi sie am Abend zuvor befreit hatte. Mikael beobachtete ihr verlegenes Wühlen mit großem Interesse, während er eine Runde durch die Wohnung drehte. Ihre Möbel wirkten durchweg so, als seien sie auf der Müllhalde gefunden worden. Auf einem kleinen Arbeitstisch im Wohnzimmer hatte sie ein imposantes PowerBook , absolut state of the art . Auf einem Regal stand ein CD-Player. Ihre CD-Sammlung war jedoch alles andere als imposant - jämmerliche zehn CDs von Bands, von denen Mikael noch nie gehört hatte und deren Musiker auf den Booklets aussahen wie Vampire aus dem All. Er stellte fest, dass Musik nicht ihr Spezialgebiet war.
Lisbeth sah, dass Armanskij sie am Abend zuvor nicht weniger als sieben Mal angerufen und morgens zwei weitere Versuche unternommen hatte. Sie wählte seine Nummer, während Mikael sich an den Türrahmen lehnte und das Gespräch belauschte.
»Ich bin’s … Tut mir leid, ich hatte es ausgeschaltet … Ich weiß, dass er mich engagieren will … Nein, er ist hier in meinem Wohnzimmer …« Sie hob die Stimme. »Dragan, ich habe einen Kater und Kopfweh, also hören Sie auf, mich vollzuschwallern. Haben Sie Ihr Okay für den Job gegeben oder nicht? … Danke.«
Klick.
Lisbeth Salander musterte Mikael Blomkvist verstohlen durch die Wohnzimmertür. Er sah ihre CDs durch, nahm ein paar Bücher aus ihrem Regal und hatte gerade ein braunes Medizinfläschchen ohne Etikett gefunden, das er neugierig gegen das Licht hielt. Als er schon den Verschluss abschrauben wollte, nahm sie ihm das Fläschchen aus der Hand, ging zurück in die Küche, setzte sich auf einen Stuhl und massierte sich die Stirn, während Mikael wieder Platz nahm.
»Die Regeln sind einfach«, sagte sie. »Nichts von dem, was Sie mit mir oder Armanskij besprechen, wird an Außenstehende weitergegeben. Wir werden einen Vertrag unterzeichnen, in dem Milton Security sich zu absolutem Stillschweigen verpflichtet. Ich will
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