Verblendung
wohnte -, war nur Kalle Blomkvist über ihr Geheimnis gestolpert. Er war ihr auf die Schliche gekommen, weil sie einen Fehler gemacht hatte, wie ihn sich nicht mal ein zwölfjähriger Branchenneuling geleistet hätte - was nur bewies, dass sie an Gehirnschwund litt und Prügel verdiente. Aber er war nicht ausgerastet vor Wut und hatte auch nicht Himmel und Erde in Bewegung gesetzt, um sie zur Rechenschaft zu ziehen. Stattdessen hatte er sie angestellt.
Als sie vorhin noch ein Brot gegessen hatten, bevor sie sich schlafen legte, hatte er sie plötzlich gefragt, ob sie eine gute Hackerin sei. Zu ihrer eigenen Überraschung beantwortete sie die Frage ganz spontan.
»Ich bin wahrscheinlich die beste in Schweden. Es gibt vielleicht noch zwei bis drei Personen, die so ungefähr mein Niveau haben.«
Sie zweifelte den Wahrheitsgehalt ihrer Antwort nicht an. Plague war früher einmal besser als sie gewesen, aber sie hatte ihn schon vor geraumer Zeit überholt.
Es fühlte sich jedoch seltsam an, diese Worte auszusprechen. Das hatte sie noch nie zuvor gemacht. Vor allem hatte es noch nie einen Außenstehenden gegeben, mit dem sie so ein Gespräch hätte führen können. Plötzlich gefiel es ihr, dass er von ihren Fähigkeiten beeindruckt schien. Dann hatte er dieses Gefühl gleich wieder zerstört, indem er die Frage stellte, wie sie das Hacken gelernt hatte.
Sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Das habe ich schon immer gekonnt , hätte sie sagen sollen. Stattdessen war sie gereizt zu Bett gegangen, ohne Gute Nacht zu sagen.
Es irritierte sie noch mehr, dass Mikael nicht darauf zu reagieren schien, dass sie ihrer eigenen Wege ging. Während sie im Bett lag, hörte sie ihn in der Küche herumgehen, abräumen und abwaschen. Er war die ganze Zeit immer später als sie aufgestanden, aber nun wollte er offenbar auch gleich schlafen gehen. Sie hörte, wie er im Badezimmer rumorte, in sein Schlafzimmer ging und die Tür schloss. Nach einer Weile hörte sie das Knarzen, als er in sein Bett stieg, einen halben Meter von ihr entfernt, aber auf der anderen Seite der Wand.
Während der ganzen Woche hatte er nicht mit ihr geflirtet. Er hatte mit ihr gearbeitet, sie um ihre Meinung gefragt, hatte ihr auf die Finger geklopft, wenn sie Fehler machte, und es akzeptiert, wenn sie ihn korrigiert hat. Verdammt, er hatte sie wie einen Menschen behandelt.
Mit einem Mal ging ihr auf, dass sie Mikael Blomkvists Gesellschaft mochte und ihm vielleicht sogar vertraute. Sie hatte noch nie jemandem vertraut, außer vielleicht Holger Palmgren. Wenn auch aus ganz anderen Gründen. Palmgren war ein vorhersehbarer do gooder gewesen.
Sie stand plötzlich auf, stellte sich nackt ans Fenster und blickte rastlos ins Dunkel. Sie kannte nichts Schwierigeres, als sich einem anderen Menschen zum ersten Mal nackt zu zeigen. Sie war überzeugt, dass ihr magerer Körper abstoßend wirken musste. Ihr Busen war ein schlechter Witz. Sie hatte keine nennenswerten Hüften. In ihren Augen hatte sie nicht sonderlich viel zu bieten. Aber abgesehen davon war sie eine ganz normale Frau mit genau derselben Lust und demselben Sexualtrieb wie alle anderen. Sie blieb am Fenster stehen und überlegte fast zwanzig Minuten, bis sie sich zu einem Entschluss durchgerungen hatte.
Mikael hatte sich ins Bett gelegt und gerade einen Roman von Sara Paretsky aufgeschlagen, als er hörte, wie sich die Türklinke bewegte, und aufblickte. Lisbeth stand schweigend im Türrahmen und sah aus, als würde sie über etwas nachdenken. Sie hatte sich das Laken um den Körper gewickelt.
»Stimmt was nicht?«, fragte Mikael.
Sie schüttelte den Kopf.
»Was wollen Sie denn?«
Sie ging zu ihm, nahm ihm das Buch aus der Hand und legte es auf den Nachttisch. Dann beugte sie sich zu ihm hinunter und küsste ihn auf den Mund. Deutlicher konnte sie ihre Absichten kaum mehr zeigen. Sie kroch schnell unter seine Decke und betrachtete ihn mit forschendem Blick. Sie legte eine Hand auf das Betttuch auf seinem Bauch. Als er nicht protestierte, beugte sie sich herab und biss ihn in eine Brustwarze.
Mikael war völlig perplex. Nach ein paar Sekunden nahm er sie bei den Schultern und schob sie von sich, sodass er ihr Gesicht sehen konnte. Er wirkte nicht gleichgültig.
»Lisbeth … ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Wir sollen zusammenarbeiten.«
»Ich will Sex mit dir. Und ich werde deswegen kein Problem haben, mit dir zusammenzuarbeiten, aber wenn du mich hier rauswirfst, dann
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