Verblendung
aufgedeckt, was andere zu vertuschen versuchten, und seine Moral verbot ihm, sich an der Vertuschung der schrecklichen Verbrechen in Martin Vangers Keller zu beteiligen. Sein Berufsethos verlangte, dass er sein Wissen der Öffentlichkeit mitteilte. Er hatte seine Kollegen immer kritisiert, wenn sie die Wahrheit nicht aussprachen. Und dennoch saß er jetzt hier und diskutierte das makaberste Vertuschungsmanöver, von dem er jemals gehört hatte.
Er schwieg lange. Dann nickte auch er. »Gut.«
Frode wandte sich an Mikael. »Was Henriks Angebot einer Entschädigung betrifft …«
»Die kann er sich in den Hintern schieben«, schnitt Mikael ihm das Wort ab. »Dirch, ich will, dass Sie jetzt gehen. Ich verstehe Ihre Verlegenheit, aber im Moment bin ich gerade so wütend auf Sie und Henrik und Harriet, dass unsere Freundschaft in die Brüche gehen wird, wenn Sie jetzt noch länger bleiben.«
Dirch Frode blieb am Küchentisch sitzen und machte keine Anstalten aufzustehen.
»Ich kann noch nicht gehen«, sagte er. »Ich bin noch nicht fertig. Ich habe noch eine Botschaft zu überbringen, die Ihnen nicht gefallen wird. Henrik besteht darauf, dass ich sie Ihnen heute ausrichte. Sie können morgen ins Krankenhaus fahren und ihn dafür zur Rechenschaft ziehen.«
Mikael hob langsam den Blick und sah ihm in die Augen.
»Das hier ist wohl das Schwerste, was ich in meinem ganzen Leben tun musste«, begann Frode. »Aber ich glaube, dass in der jetzigen Situation nur noch restlose Ehrlichkeit angebracht ist. Ich will die Karten offen auf den Tisch legen.«
»Was?«
»Als Henrik Sie zu diesem Job überredet hat, glaubten weder er noch ich, dass es wirklich Resultate geben würde. Es war so, wie er sagte - er wollte einfach einen letzten Versuch unternehmen. Er hatte Ihre missliche Lage gründlich analysiert, nicht zuletzt mit Hilfe des Berichts, den Frau Salander erstellt hatte. Er nutzte ihre Isolation aus, bot Ihnen eine gute Bezahlung und verwendete den richtigen Köder.«
»Wennerström.«
Frode nickte.
»Sie haben geblufft?«
»Nein.«
Lisbeth zog interessiert die Augenbrauen hoch.
»Henrik wird all seine Versprechen einlösen«, sagte Frode. »Er wird Interviews geben und einen öffentlichen Frontalangriff auf Wennerström starten. Die Details können Sie später erfahren, aber kurz gesagt verhält sich die Sache so, dass Wennerström während seiner Zeit in der kaufmännischen Abteilung mehrere Millionen für Valutaspekulationen eingesetzt hat. Das war lange, bevor das Day Trading zum echten Phänomen wurde. Er hatte dafür keine Genehmigung bei der Unternehmensleitung eingeholt. Die Geschäfte gingen in die Binsen, und plötzlich saß er mit einem Verlust von sieben Millionen da, den er teils durch frisierte Bücher auszugleichen versuchte, teils durch weitere, noch gewagtere Spekulationen. Er wurde erwischt und gefeuert.«
»Hat er etwa in die eigene Tasche gewirtschaftet?«
»Ja, er bekam ungefähr eine halbe Million Kronen, die dann bizarrerweise den Grundstock für seine Wennerstroem Group bildeten. Sie können diese Information verwenden, wie Sie wollen, und Henrik wird Ihre Behauptungen öffentlich bestätigen. Aber …«
»Aber diese Information ist wertlos«, vollendete Mikael seinen Satz und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
Frode nickte.
»Das ist dreißig Jahre her - das ist ein abgeschlossenes Kapitel!«, rief Mikael.
»Sie bekommen die Bestätigung, dass Wennerström ein Schwindler ist.«
»Dass es herauskommt, wird Wennerström ärgern, aber es wird ihm nicht mehr wehtun, als wenn ihn kleine Jungs mit Erbsen aus einem Blasrohr beschießen würden. Er wird mit den Schultern zucken und ein Ablenkungsmanöver starten, indem er eine Pressemitteilung rausschickt, dass Henrik Vanger ein alter Knacker ist, der irgendein Geschäft von ihm übernehmen will. Im selben Atemzug wird er behaupten, dass er damals auf Henriks Anordnung gehandelt hat. Selbst wenn er seine Unschuld nicht beweisen kann, kann er immer noch so viele Vernebelungstaktiken einsetzen, dass die Geschichte schließlich mit einem Achselzucken abgetan wird.«
Dirch Frode sah unglücklich drein.
»Sie haben mich beschissen«, sagte Mikael schließlich.
»Mikael … so war das nicht gemeint.«
»Ich bin selbst schuld. Ich habe nach einem Strohhalm gegriffen und hätte gleich merken müssen, dass es nur ein Vorwand war.« Er lachte kurz auf. »Henrik ist ein alter Hai. Er musste mir ein Produkt verkaufen, also hat er mir
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